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«Wandzeitung» vom 14.1.2015:

Es ist Zeit, dass die vorherrschende Asylpolitik Schiffbruch erleidet:

Von Menschen auf Schiffen.

Während hierzulande der erste Schnee fiel, trieben von Schlepperbanden verlassene Schiffe voller im Stich gelassener Flüchtlinge auf hoher See. Während hierzulande im Feier- und Freudetaumel reichlich Champagner floss, tranken die hungernden, durstenden Flüchtlinge das letzte Dreckwasser, das sie auf dem Boot finden konnten. Und während hierzulande in Stammtischmanier über die angeblich kriminellen, schmarotzenden Migrantinnen und Migranten geflucht und geschrieben wurde, rettete die italienische Behörde in letzter Sekunde die Bootsflüchtlinge vor ihrem sicheren Tod.

Das Flüchtlingsdrama, das sich erneut im Niemandsgewässer zwischen der Türkei und Italien abgespielt hat, reiht sich ein in die lange, traurige Geschichte, die von Menschen handelt, die vor Krieg, Elend oder Perspektivenlosigkeit flüchten – von einem würdevollen Leben im Unbekannt träumend. Was sie nicht wissen oder verdrängen: Nicht nur in ihrer Heimat oder unterwegs auf der Flucht, sondern auch im Unbekannt weht ihnen ein kalter Wind entgegen.

So werden in der herrschenden Asyldebatte jegliche Grundwerte der Aufklärung über Bord geworfen. Die Überzeugung, dass jeder Mensch, unabhängig von seiner Herkunft, dieselben Rechte besitzt, wird zusammen mit dem Ruf nach Solidarität und Freiheit ertränkt. Das Streben der Menschen nach Glück wird den Asylsuchenden ebenso abgesprochen wie das Recht auf ein menschenwürdiges Asylverfahren. In einer unerklärlichen Arroganz scheinen hierzulande allzu viele beurteilen zu können, was ein echter und falscher Flüchtling sei. Damit wird nicht nur auf eine zynische, realitätsferne Flüchtlingsdefinition verwiesen, sondern Armut als Fluchtgrund negiert. Dass die globale Ungleichverteilung von Reichtum zu Armut, Auswegslosigkeit und Migration führt, passt den Stammtischproletinnen und -proleten nicht ins Weltbild. Obwohl es auch im Migrationsbereich sinnvoller und richtiger wäre, Armut anstatt Arme zu bekämpfen.

All diejenigen, denen nach häufig monatelangen Strapazen der Weg ins ersehnte Paradies gelungen ist, treffen hier auf eine würdelose Realität. Sie werden zur Untätigkeit verdammt, aus dem öffentlichen Raum verbannt und als Sündenböcke abgestempelt. Schliesslich geht es darum, den Asylsuchenden den Aufenthalt so unangenehm wie nur möglich zu gestalten. Acht Franken und ein Platz zum Schlafen – deutlicher kann die Schweiz den Asylsuchenden nicht zu verstehen geben, dass sie unerwünscht sind.

Es ist Zeit, dass die vorherrschende Asylpolitik Schiffbruch erleidet. Es ist Zeit, das Ruder herumzureissen und in einem ersten Schritt die Menschen auf den überfüllten Booten als das anzuerkennen, was sie sind: Menschen. Mündige, freie Menschen, die ebenfalls Anspruch auf Gleichheit, Würde und Träume haben.


Mattea Meyer,
14.1.2015, 114. Jahrgang, Nr. 14.

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