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«Wandzeitung» vom 14.12.2015:

Kinderkriegen:

Schwer gemacht.

Ich bin ja jetzt in dem Alter, in dem Kinderkriegen zu einem häufigen Thema in Gesprächsrunden wird. Die einen haben schon Nachwuchs und berichten über Gehversuche und Babynahrung. Bei anderen schlägt das Herz beim Anblick eines schlummernden oder sabbernden Kleinkindes höher. Und wiederum andere verschwenden (noch) keinen Gedanken daran. Doch egal mit wem ich spreche – jede Diskussion endet mit der Feststellung, dass die Schweiz alles andere als ein familienfreundliches Land ist. Wir verdanken es zwar dem jahrzehntelangen Kampf fortschrittlicher Frauen und Männer, dass seit 2003 ein vierzehnwöchiger Mutterschutz gewährt wird. Derweil der Vater mit einem Tag vorlieb nehmen muss. Lächerliche acht Stunden arbeitsfrei, wenn ein Kind auf die Welt kommt und alles auf den Kopf stellt.

Noch wirkungsvoller könnte die traditionelle Geschlechterzuschreibung nicht zementiert werden: Die Frau als liebevolle Mutter zuhause; der Mann als Ernährer draussen bei der harten Arbeit. Mal im Ernst – wer glaubt noch an diese angeblich «göttliche» oder «naturgewollte» Zuschreibung? Ich nicht. Und meine Freundinnen und Freunde auch nicht. Trotzdem – bis heute hat sich nichts getan. Das schadet der Gleichstellung in doppelter Hinsicht. Einerseits werden die Frauen so auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor benachteiligt: Wer wird sich schon für eine junge Frau entscheiden, die im Falle einer Schwangerschaft vierzehn Wochen abwesend sein wird, wenn er oder sie einen jungen Mann nehmen kann, der bei Vaterschaft nur einen Tag fehlen wird? Andererseits ist es für Paare, die sich unbezahlten Urlaub nicht leisten können, massiv erschwert, vom ersten Tag an die Betreuungs- und Erziehungsarbeit gleichberechtigt aufzuteilen. Die Väter werden aus der Verantwortung und die Mütter in die Verantwortung genommen.

Wollen wir diese einzwängende Rollenzuschreibung überwinden, braucht es endlich eine Elternzeit, die den Ansprüchen an gelebte Gleichstellung gerecht wird. Wie wäre es beispielsweise mit einem mehrwöchigen Vaterschaftsurlaub (zusätzlich zur vierzehnwöchigen Mutterschaftszeit) und einer gemeinsamen, paritätitschen Elternzeit? Und dies sowohl für heterosexuelle wie homosexuelle Paare, unabhängig vom Familienmodell und auch bei Adoption? Niemand soll mir sagen, wir könnten uns dies nicht leisten. Schon gar nicht die, die stramm an der Wehrpflicht festhalten, die die Volkswirtschaft jährlich Milliarden kostet.

Beschämenderweise wird das nationale Parlament voraussichtlich nicht einmal bereit sein, einen Mini-Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen zu sprechen. Ich setze deshalb auf die Vernunft der Menschen und auf die Empörung all derer, die in ihrem Bestreben nach gelebter Gleichstellung gehindert werden.


Mattea Meyer,
14.12.2015, 114. Jahrgang, Nr. 348.

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