Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 14.6.2014:

Das Schreiben zwingt, seine Gedanken zu formulieren:

Welche Stadt wollen wir?

Eine Wandzeitung für Winterthur? In einer Zeit, wo sich Politik auf 15-Sekunden-Messages reduziert. Tweets auf 140 Zeichen begrenzt sind. Der Live-Ticker den Takt angibt.

Genau aus diesen drei Gründen schreibe ich bei der «Wandzeitung» mit. Weil das Schreiben zwingt, seine Gedanken zu formulieren. Der Oberflächlichkeit zu entfliehen. Aus dem immer schneller werdenden Tempo von Traktanden und Tagespolitik auszubrechen. Sich mit Fragen zu befassen, die über den Zeithorizont von Tagesaktualität und Legislaturperiode hinausreichen. Und weil es Debatten auslöst.

Etwa die Debatte: Welche Stadt wollen wir? Um zu verstehen, welche Stadt wir sind, die drei wesentlichsten Entwicklungen Winterthurs in den letzten 20 Jahren: Am Anfang stand Mitte der 90er-Jahre, als Ausläufer der bewegten 80er-Jahre, der kulturelle Aufbruch. Kulturräume wurden eingefordert, Salzhaus, Gaswerk und Kraftfeld entstanden. Kulturell positionierte sich Winterthur neu in zeitgenössischen Bereichen wie Kurzfilmtagen, Fotozentrum oder Casinotheater. In der Altstadt entstanden, auch begünstigt durch die Aufhebung der Polizeistunde, neue Cafés und Bars. Der biederbürgerliche Groove war abgeschüttelt. Winterthur kam näher ans Mittelmeer.

Kurz darauf, als Ausläufer der Frauenbewegung, der gesellschaftliche Aufbruch. Mit heftigen familienpolitischen Debatten, etwa um die Einführung von Blockzeiten an der Volksschule. Die Nullerjahre brachten eine massive Verbesserung an familienergänzenden Betreuungsmöglichkeiten. Das rückwärtsgewandte, konservative Familien- und Rollenbild war überwunden. Eine moderne und zukunftsgerichtete Familien- und Gesellschaftspolitik etablierte sich in Winterthur wie in anderen Städten.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends ging es darum, auch den wirtschaftlichen Aufbruch zu realisieren, die Stadt zu entwickeln. Auf den Sulzer-Arealen Stadtmitte und Oberwinterthur sowie mit dem Masterplan Bahnhof wurden die notwendigen Planungen vorgenommen und umgesetzt. Die Anzahl Arbeitsplätze stieg, man zog wieder nach Winterthur. Nach aussen wurden diese Entwicklungen bewundernd wahrgenommen, nach innen entstand ein neues Selbstbewusstsein.

Und nun? Nun ist es an der Zeit, zu debattieren und zu entscheiden, welche Stadt wir wollen. Denn wir können nicht eine hohe Lebensqualität anstreben und so tun, als ob wir den Zuzug von neuen Einwohnenden stoppen können. Wir können nicht den kulturellen Aufbruch und das Nachtleben loben und gleichzeitig suggerieren, dass dies auch still und leise vor sich geht. Und wir können auch nicht eine flüssige und funktionierende Verkehrsabwicklung einfordern und so tun, also ob dies auch ohne Einschränkungen im motorisierten Individualverkehr gehen würde. Wir müssen uns entscheiden: 1990 oder 2014?

Der Aufbruch hat unsere Stadt bereichert. Sie zur Grossstadt gemacht. Und das ist gut so. Die Urbanität ist Realität. Und vor allem auch unsere Zukunft. Mit allen Konsequenzen. Inklusive einer Wandzeitung.


Nicolas Galladé,
14.6.2014, 113. Jahrgang, Nr. 9.

Artikel als PDF downloaden

Standpunkte:

15.6.2014, 12:00 Uhr.

Ernst Wohlwend schrieb:

Niemand wünscht sich wohl die 1990er-Jahre zurück. Als Alt-Stadtpräsident plädiere ich dringend dafür, an der Zukunft der Stadt weiterzubauen und sich nicht ins Reduit zurückzuziehen.


Veröffentlichen Sie Ihren

Standpunkt*:

Verbleibende Zeichen: 777 von 777

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.