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«Wandzeitung» vom 25.5.2015:

alles wird besser:

ohrfeigen und füdlitätsch ...

…fordert ein kinderarzt, sollen verboten werden. was wär ich geworden ohne ohrfeigen und füdlitätsch! meine lehrer bevorzugten ersteres, meine eltern das zweite. das prozedere war stets mit einer gehörigen portion zorn oder wenigstens unmut begleitet, und das ist gut so. für schlimm halte ich wohlgeplante, kalt verabreichte abstrafungen. wenn die erregung in die hand drängt und auf dem hintern des kindes einigermassen ihren ausdruck findet, so handelt es sich immerhin um ein stück gemeinsamer verarbeitung. hahaa. der zorn schwillt nicht völlig ab, aber verbunden mit einer prise schlechten gewissens und einem gramm genugtuung – dem hab ich’s gezeigt – kommt er sukzessive zur ruhe.

eine begebenheit ist mir noch in deutlicher erinnerung. es war das einzige mal, dass uns der vater den hintern nackt versohlte. nicht das vergehen war besonders schwerwiegend – mein kleinerer bruder und ich waren den ganzen langen nachmittag weggeblieben und hatten uns von der heuarbeit gedrückt – sondern die sommerhitze war besonders schwül und zorntreibend gewesen. das war uns beiden einsichtig, schon während der sanktion. diesmal aber tat sie wirklich einen moment lang körperlich weh, und das geschrei hatte mehr als nur eine prophylaktische funktion.

in all den jahren meiner schulzeit deckten mich die lehrer reichlich mit ohrfeigen ein. ich könnte die vorfälle nicht mehr zählen oder aufzählen. geblieben sind mir die unverstandenen. einmal schickte mich der lehrer heim, um ein vergessenes zahnarztformular zu holen. in der eile vergass ich, meine mit bleistift vorgenommenen korrekturen auszuradieren. ich hatte nämlich, nachsinnenderweise, über der rubrik «bleibende zähne zu ziehen» geschrieben «zu ziehende zähne zu ziehen». noch heute halte ich meine formulierung für besser und jedenfalls rechtfertigte sie die daraufhin erfolgte schallende ohrfeige nicht. da gebe ich dem kinderarzt recht: solche ohrfeigen gehören verboten.

geblieben ist mir damit wenigstens ein geschichtchen, das ich meinen enkelkindern aus der guten alten zeit erzählen kann, und das ist doch immerhin etwas wert, oder nicht?

es wird, sollte das generelle verbot von ohrfeigen und füdlitätsch wirklich eingeführt werden, weiterhin unmut und zorn geben, und ich frage mich ernstlich, welche subtileren (und perfiden) formen der «verarbeitung» in diesem fall zum zuge kämen. vielleicht braucht es dann die kompensatorische vorschrift, dass in allen räumen, in denen «erziehung» stattfindet, ein boxsack aufgehängt werden muss. daran dürften dann sowohl erziehende als auch «zöglinge» ihr mütchen kühlen. das wäre die optimalste variante.

nicht alles neue ist grundsätzlich besser als was früher war, wenn auch viele heutigen auf den guten pestalozzi herabzublicken pflegen. dieser hielt übrigens auch nicht viel von körperstrafen.

 

 

 


alfred vogel,
25.5.2015, 114. Jahrgang, Nr. 145.

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