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«Wandzeitung» vom 20.7.2014:

Auch die Polizei hat freilich das Recht auf die Unschuldsvermutung:

Plädoyer für die guten Bullen von Winterthur.

Zugegeben, während der Achtzigerjahre öffnete ich die Eichentür zum Obertor 17 nicht sonderlich gern, und wenn schon, dann mit Herzklopfen. Vereinzelte Polizisten lebten damals nach dem Prinzip Faustrecht, und man schaute ihnen als Unbescholtener beim Grüssen lieber nicht in die Augen. Heute ist alles anders: Unsere Stadtpolizei ist hervorragend ausgebildet und überzeugt mit ihrer Arbeit voll: Im Zentrum ihrer Arbeit steht der Mensch in Not. Auf den gehen die guten Bullen mit Empathie und Intelligenz zu, und sie lösen Fall um Fall effizient wie mit bestem Wissen und Gewissen.

Das gilt auch für die absolut nicht ausdiskutierte Tanz-dich-frei-Demo vor neun Monaten. Die Freitänzer, deren Umfeld zuvor in Bern völlig unerwartet randalierte und 50 Verletzte sowie einen Schaden von 2,17 Millionen Franken verursachte, wollte am extrem frequentierten Gleis 3 unseres Hauptbahnhofs Party feiern. Genau an dem Ort also, der durch die Altstadt, die Archhöfe und die Partymeile voll eingekesselt ist. Es leuchtet ein, dass in einer solchen Beengtheit eine gefährliche Situation entsteht, die zum Schutz der anwesenden Menschen von der Polizei vermieden werden muss.Verständlich ist auch, dass die Beamten in ihren Schutzmonturen furchteinflössend wirken, weil der kommunikative Augenkontakt fehlt. Aber so erscheinen halt die Sündenböcke für Krethi und Plethi, wenn sie gemäss § 7 des Zürcher Polizeiorganisationsgesetzes in der Pflicht sind, mit präventiven wie repressiven Massnahmen sowie durch sichtbare Präsenz für die öffentliche Sicherheit zu sorgen, die nötige Hilfe zu leisten und die Gesellschaft vor unberechenbaren Wesen zu schützen.

Alle bewusst oder ahnungslos in die Demo geratenen Menschen durften sich jederzeit entfernen. Doch nach überraschenden Protestler-Angriffen mit Pyros, kreiste die Polizei die Gewaltbereiten ein und forderte sie auf, den Platz zu verlassen. Die Esaklation war nicht zu vermeiden, es entstand ein Sachschaden von mehreren Tausend Franken, es kam zu 93 Verhaftungen, elf Verletzten, davon vier Polizisten, ein junger Gesetzeshüter ist nun leider auf einem Ohr taub. Und tragischerweise ist auch eine 19-jährige Widerständlerin schwer am Auge verletzt. Bedauerlicherweise gibt es in der Demokratie, bei der vierten Kraft, auch Schreibende mit grossem Einfluss, die nicht abwägen, sondern emotional urteilen. So stellte sich die hiesige meinungsbildende Redaktion flugs auf die Seite der Autonomen und kolpotiert bis heute konsequent, dass die junge Frau von Gummischrot der Polizei getroffen wurde. Diese Darstellung ist eher unwahrscheinlich, denn es sind sehr viele Geschosse aus Tanzhänden durch die Luft geflogen: Steine, Stahl- und Hartgummikugeln, Laser, Petarden oder Feuerwerk. Freilich gilt die Unschuldsvermutung für alle Beteiligten, auch für die Polizei.

Während dieses Grosseinsatzes bewältigten die Ordnungskräfte notabene auch noch rund 30 Fälle von häuslicher Gewalt, Suizidandrohungen, Streitereien im Zusammenhang mit Alkohol oder anderen Suchtmitteln, Lärmbelästigungen, Unfällen. Und ja, ich gehe in dieser Zeit der hohen Stapo-Kompetenz sehr gerne durch die Eichentür am Obertor.

 


Guido Blumer,
20.7.2014, 113. Jahrgang, Nr. 45.

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