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«Wandzeitung» vom 26.7.2015:

Wenn es um ihren Nachwuchs geht, werden Eltern früh aktiv:

Es wird Geschlechterauslese geben.

In meinem letzten Beitrag habe ich gegen die Präimplantationsdiagnostik plädiert. Also gegen den Verfassungsartikel, der die Untersuchung von befruchteten Eizellen im Reagenzglas grundsätzlich erlaubt. Nun geht es um Untersuchungen von Föten und Embryonen während der Schwangerschaft, also um so genannte Pränataldiagnostik. Sie ermöglicht heute frühe und umfassende Untersuchungen. Man kann beispielsweise schon in den ersten zwölf Wochen das Geschlecht eruieren.

Nun wollen der Bundesrat und das Parlament verhindern, dass durch die frühe Information Geschlechterselektion durch Abtreibungen betrieben wird. Man weiss, dass männliche Nachkommenschaft in manchen Kulturen wichtig ist. In der Schweiz ist die geschlechtsbedingte Abtreibung ein Randphänomen. Doch die Politik will vorsorgen.

Im Bundeshaus ist es unbestritten, dass die Geschlechterselektion verboten gehört. Exekutive wie Legislative haben praktisch diskussionslos für einen Vorstoss der Aargauer SP-Ständerätin Pascale Bruderer gestimmt, die ein explizites Verbot verlangte. Wohlwissend, dass ein Verbot aufschreckt, weil es die von der Bevölkerung mehrfach und grossmehrheitlich bestätigte Fristenregelung antastet, will der Bundesrat eine taktisch geschickte Lösung: Die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs während der ersten zwölf Wochen bleibt bestehen. Aber die Schwangere darf das Geschlecht in diesen ersten zwölf Wochen nicht mehr erfahren.

Ich befürchte, dass das Verbot zwecklos ist. Gut möglich, dass Ärzte ihre Informationspflicht gegenüber der Patientin höher gewichten als die gesetzlichen Bestimmungen. Angenommen aber, der Arzt hält dicht, kann eine Schwangere, die sich partout auf ein Geschlecht eingestellt hat, auch nach der zwölften Schwangerschaftswoche abtreiben, wenn sie die wahren Gründe verschleiert und falsche vortäuscht. Sollte das nicht klappen, kann sie versuchen, auf inoffiziellem Weg abzutreiben. Oder sie wählt diesen Weg von Anfang und bestellt den Pränataltest im Internet, wovor das Bundesamt für Gesundheit warnt. Aber es ist möglich.

Es gibt in der Schweiz nur wenige, die überhaupt auf eine solche Idee kommen. Doch die Seltenheit soll nicht der entscheidende Richtwert sein. Immerhin ist Mord auch vergleichsweise selten und trotzdem verboten. Wir sollten uns aber keine Illusionen machen: Der Gesetzgeber ist bis zu einem gewissen Grad machtlos. Wenn Selektion erst einmal erlaubt ist, wird man Missbrauch nie ganz verhindern können.

Die Gesetzgebung hinkt zudem der wissenschaftlichen Entwicklung in geradezu lächerlicher Weise hinterher. Seit drei Jahren gibt es diese neuen Schwangerschaftstests, die neben Krankheiten auch das Geschlecht eruieren. Bis das Geschlechterselektions-Verbot in Kraft ist, werden weitere drei Jahre vergehen. Bis dahin werden die Tests noch billiger sein, noch früher machbar, noch besser zugänglich. Vielleicht werden bis dahin noch weitere Informationen erhältlich sein, etwa zum Aussehen oder zur körperlichen Konstitution. Was dann?

Die Realität ist hart: Wer A sagt, muss nicht unbedingt B sagen. Aber damit umgehen können, dass Missbrauch geschieht.

 


Claudia Blumer,
26.7.2015, 114. Jahrgang, Nr. 207.

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Standpunkte:

27.7.2015, 16:45 Uhr.

Eugen von Arb schrieb:

Die GesetzgeberInnen werden nicht nur von der technischen Entwicklung überholt, sondern auch von der Globalisierung. Schon heute können jene, die ein Kind haben oder eben nicht haben wollen, die Gesetze im eigenen Land mit einer Auslandreise umgehen. So ist es auch bei der Pränataldiagnostik und wird es vermutlich irgendwann auch beim Klonen von Menschen sein. Entscheidend ist dabei nur die Grösse des Geldbeutels. Verantwortungsbewusstsein und Bescheidenheit lassen sich leider viel schlechter künstlich vermehren ...


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