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«Wandzeitung» vom 26.11.2015:

Eine Kindergeschichte? Teil 4:

Tatze und Knopf.

Knopf legte das brennende Hölzchen zum Haufen. Weil alles sehr trocken war, knisterte es sogleich. Tatze rollte noch ein paar grössere Steine ums Feuer, damit es nicht ausbrechen und Schaden anrichten konnte. Sie setzten sich zusammen und schauten schweigend in die Flammen. Tatze hatte sowas nie gesehen, war fasziniert wie die Flammen das Holz verschlangen. «Was nun?», fragte er nach einer Weile. «Wenn es zu glühen beginnt, können wir die Kartoffeln hineinlegen, vorher wären sie verbrannt», erklärte Knopf wichtig. Es war schon toll, was er seinem grossen Freund so alles beibringen konnte. Dann war es soweit, die Kartoffeln wurden in die Glut gelegt und etwas zugedeckt. Schon nach kurzer Zeit fing es zu duften an. In der Nähe wuchs Bärlauch, Knopf pflückte Blätter. Vom Haselnussstrauch sammelte er einige Nüsse und schlug sie mit einem Stein auf. Eifrig war er bei der Arbeit und Tatze schaute staunend zu. Was die Zwergen für einen Aufwand machten mit dem Essen. Da hatte er es schon einfacher. Aber die Kartoffeln dufteten wirklich lecker und ihm lief vor lauter Vorfreude das Wasser im Mund zusammen. Auf einem flachen Stein zermalmte Knopf nun die Nüsse und riss dann den Bärlauch in Fetzen, mischte ihn mit dem Mus und rieb alles nochmals mit dem Stein durch. Es gab eine Paste, die sehr würzig roch.

Wladimir und seine Familie waren auf Futtersuche. Die Beeren waren abgepflückt und die Pilze ebenfalls. Obstbäume gab es hier keine und so hatte er seine Sippe durch den Wald geführt in der Hoffnung, auf dem Nahe gelegenen Acker irgendein Gemüse zu finden. Karotten vielleicht oder Kohlrabi. Sie zu bearbeiten war zwar anstrengend, aber besser als zu hungern. Die Kleinen waren nämlich schon ziemlich unleidig. Langsam kamen sie dem Waldrand näher. Da vorne brannte ein Feuer. Hoffentlich kein Waldbrand, dachte er sich. Er bat seine Familie, bei einem hohlen Baum zu warten. Er wolle sich das Ganze von der Nähe ansehen. Die Kleinen lästerten, aber die Mutter beruhigte sie, Papa würde sicher bald etwas Essbares finden. Seitdem ihre alte Eiche gefällt worden und sie ihrem ältesten Kind getrennt wurden, waren sie auf Wanderschaft gewesen und hatten kein festes Heim mehr gehabt. Sie waren rastlos und vermissten den Sohn und Bruder.

Wladimir pirschte sich ans Feuer heran und merkte bald, dass das kein wildes Feuer, sondern eine Futterstelle war. Es duftete verführerisch nach gegarten Kartoffeln. Hmm … , sein Magen knurrte auch schrecklich. Er guckte wischen den Ästen hindurch und erschrak fürchterlich. Ein grosser Wolf sass mit dem Rücken zu ihm am Feuer. Immerhin konnte ihn dieser nicht wittern. Er wollte gerade rückwärts davonschleichen, da hörte er eine Fistelstimme, die ihm sehr vertraut war. Knopf, sein Sohn! Er vergass alle Vorsicht und stürmte aus dem Unterholz. Mit ausgebreiteten Armen und Freudentränen stürmte er dem Feuer zu. Er rief laut nach seinem Ältesten. Dieser drehte sich verdattert um, unfähig etwas zu sagen. Im Nu lagen sich Vater und Sohn in den Armen, lachten und weinten miteinander. Tatze sass verlegen daneben. Er war gerührt über diese Wiedersehensfreude.

 

 


Momo Appenzeller,
26.11.2015, 114. Jahrgang, Nr. 330.

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