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«Wandzeitung» vom 26.2.2015:

Kinder vor Missbrauch schützen statt sexuelle Aufklärung verhindern:

Schutz vor Sexualisierung?

«Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule» heisst der irreführende Titel einer Volksinitiative, die wir in der Märzsession im Nationalrat beraten werden. Die Initiantinnen und Initianten wollen eine zeitgemässe Sexualaufklärung in der Schule verhindern, indem sie diese zur Sache der Eltern erklären. Es dürfe freiwilliger Sexualkundeunterricht nur ab dem vollendeten 9. Altersjahr durch die Klassenlehrperson stattfinden und biologisches Wissen erst ab dem vollendeten 12., nur durch die Biologielehrperson.

Die Initianten hatten in der Kommission keine Antwort darauf, wie im Schulunterricht die Altersgrenze eingehalten werden kann, wenn man bedenkt, dass in einer Schulklasse jeweils mindestens drei verschiedene Jahrgänge an Kindern anwesend sind. Dass der Unterricht ausschliesslich durch die Klassenlehrperson und später nur durch die Biologielehrperson erfolgen darf, verunmöglicht es, gewisse Sequenzen oder Fragen mit einer Bezugsperson des gleichen Geschlechtes zu behandeln. Und es wäre neu auch nicht mehr erlaubt, für gewisse Fragen oder Unterrichtseinheiten eine Fachexpertin oder einen Experten beizuziehen.

Kinder kommen heute früher in die Pubertät als vor einigen Jahrzehnten. Die vorliegende Initiative würde bewirken, dass Kinder, die nicht im Elternhaus aufgeklärt wurden, körperliche Veränderungen oder Mädchen ihre erste Menstruationsblutung erleben, ohne dass sie genau wissen, was mit ihnen passiert.

Es ist stossend, dass ausserdem eine Dispensationsmöglichkeit vom Aufklärungsunterricht möglich sein soll. Ausgerechnet die Kreise, welche sich vehement gegen eine Dispensation muslimischer Mädchen vom Schwimmunterricht zur Wehr setzen, wollen also eine solche Dispensationsmöglichkeit, wenn es um die sexuelle Aufklärung geht.

Beides ist falsch. In unserem Land soll jedes Kind schwimmen lernen, weil es körperlich gut tut, gesund ist und vor dem Ertrinken retten kann. Und in unserem Land soll jedes Kind sexuell aufgeklärt werden, weil es so einen natürlichen Zugang zu seinem Körper und seiner Sexualität erhalten kann, weil es wichtig ist, über Geschlechtskrankheiten, Schwangerschaftsverhütung und Sexualität Bescheid zu wissen und weil es ein wichtiger Pfeiler der Missbrauchsprävention ist. Ein Kind, das seine Geschlechtsteile nicht benennen kann und nicht Bescheid weiss über seinen Körper, wird leichter Opfer eines Missbrauchs und kann diesen schlechter benennen. Die Tabuisierung des Themas leistet dem Missbrauch geradezu Vorschub.

Die Volksschule ersetzt das Elternhaus nicht und das will auch niemand. Die Schule ist jedoch der Ort, an dem Kinder aller Schichten, Herkünfte, Religionen und unterschiedlicher Elternhäuser zusammenkommen. Und deshalb ist die Schule der Ort, an dem alle Kinder Dinge, die sehr wichtig für ihr Leben, ihre Integrität und ihre Entwicklung sind, unbedingt mitbekommen müssen. Es ist ein Gebot der Chancengleichheit, dass diese Möglichkeiten allen Kindern offenstehen, unabhängig von ihrer Herkunft.

Ein Nein zu dieser Aufklärungsverbotsinitiative bedeutet also ein Ja für mehr Chancengleichheit und mehr Schutz für alle Kinder.


Chantal Galladé,
26.2.2015, 114. Jahrgang, Nr. 57.

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