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«Wandzeitung» vom 27.10.2015:

«Frei bleiben – SVP wählen»:

Frei sein, wie die Väter waren?

Beim Entsorgen der Wahl-Propaganda fällt mir der Flyer mit dem SVP-Slogan «Frei bleiben – SVP wählen» wieder in die Hände. Die Freiheit, welche die SVP vorgaukelt, gibt es ja längst nicht mehr. Die Politik wird zunehmend international durch Grosskonzerne dominiert, zudem haben wir uns in vielen Fällen an EU-Vorgaben zu halten. Wie steht es mit der Freiheit im persönlichen Umfeld? Da bin ich doch frei in meinen Entscheiden, wird die spontane Antwort sein. Wirklich? Mein unfreiwilliger Kauf eines Fernsehgerätes lässt mich zweifeln.

1. Akt: Ich besitze ein «Casa-Trio»-Abonnement im Bereich Telefonie, Internet und TV der Swisscom. Vor zwei Monaten erhielt ich die Mitteilung, «Casa-Trio» werde durch «Vivo M» ersetzt. Meine Recherchen zeigen, dass auch das günstigere «Vivo S» meine Ansprüche erfüllt. Swisscom nimmt meinen Änderungswunsch zur günstigeren Variante kommentarlos entgegen. Etwa zur gleichen Zeit werden in unserem Quartier Glasfaserkabel verlegt. Die einzelnen Haushaltungen erhalten einen Anschluss, um die neue Technologie nutzen zu können. Ich teile der zuständigen Firma mit, dass wir vorläufig keinen Bedarf haben, vom Kupfer- zum Glasfaseranschluss umzusteigen. Der neu erstellte Anschluss werde brachliegen.

2. Akt: Die Post bringt ungefragt zwei Pakete mit Starter-Kit und Internet-Box für den Glasfaseranschluss. Bald folgt eine Mitteilung, wenn ich die Boxen nicht innerhalb von 72 Stunden anschliesse, würde ich vom bisherigen Kupfernetz getrennt. Mein Leben ginge weiter wie in uralten Zeiten ohne Telefon, Internet und TV. Ein schrecklicher Gedanke?

3. Akt: Ich schliesse innerhalb der vorgegebenen Zeit Telefon, Internet und TV ans Glasfasernetz an. Der Fernseher funktioniert nicht mehr. Der teure Plasma-Fernseher kann nur analoge, aber keine digitalen Signale verarbeiten. Ich geniesse die fernsehfreie Zeit, sie behagt mir aber nur für kurze Zeit.

4. Akt: Es gibt eine Lösung, den alten Fernseher weiterhin nutzen zu können, teilt die Swisscom mit. Sie hat den Nachteil, dass alle paar Minuten das Fernsehbild und die Sprache während einiger Sekunden stocken. Die unkonventionelle Swisscomlösung hat den Vorteil, die Fantasie anzuregen. Sie gibt die Gelegenheit zu raten, was wohl gesagt wurde. In der Vorwahlzeit kann dies hilfreich sein, denn Unsinn lässt sich durch Sinn ersetzen. Aber diese Phase geht auch einmal zu Ende und fernzusehen auf diese Weise wird mühsam. So werde ich gezwungen, einen neuen, glasfasertauglichen Fernseher zu kaufen.

5. Akt: Kauf eines neuen Fernsehers. Produkteinformation übers Internet, durchs Studium von Testberichten in der Stadtbibliothek und den Besuch von Fachgeschäften. Nun erlebe ich die wahre Freiheit, wie sie die alten Väter nicht kannten. Ähnlich aussehende Fernseher, unzählige Typenbezeichnungen, die mit den Produkten der Testberichte nicht übereinstimmen. Freundliche Verkäufer, die mit vielen Fachausdrücken Eindruck zu erwecken versuchen. Nach dem Besuch verschiedener Geschäfte ist mein technischer Wissensstand gestiegen, gleichzeitig die Verwirrung. Der überzeugendste Verkäufer mit Herzblut im Erklären gewinnt. Beim Bezahlen zücke ich, trotz Aufforderung, keine Supercard. Es lebe die Freiheit!


Haymo Empl,
27.10.2015, 114. Jahrgang, Nr. 300.

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