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«Wandzeitung» vom 29.8.2015:

KOPFSTAND:

Neue Welten.

Am Anfang war es nur ein Furz eines durchgedrehten Superhirns gewesen: Stephen Hawkings Idee nämlich, andere Planeten zu kolonialisieren, um den Fortbestand der Menschheit zu sichern. Als das Erdklima aber immer ungastlicher wurde, immer grössere Teile der Kontinente unbewohnbar, die Meere vergiftet, fanden sich immer mehr Politiker, die, anstatt ihre Karriere mit dem unpopulären Kampf gegen längst unlösbare Umweltprobleme zu gefährden, es vorzogen, das utopische Projekt TERRA NOVA mit Geld und Begeisterung zu unterstützen und so ihre Wiederwahl zu sichern.

Aus allen Nationen der Welt kamen dadurch so grosse Geldbeträge und so viele Wissenschaftler zusammen, dass die bisherigen Kernprobleme der Mission wie Energieresourcen, Nahrung und Klima im Raumschiff innert weniger Jahrzehnte gelöst waren und ein Prototyp für eine erste Staffel von Weltraumreisenden gebaut. Einige Idealisten versuchten noch aufzuzeigen, dass die Entwicklungen für TERRA1 eigentlich auch eine Chance für die Rettung der Erde sein könnten, aber sie gingen unter im Freudenjubel über den Start und Aufbruch zu neuen Welten.

Der Planet, den die Astronomen als Ziel ausgewählt hatten, war der Erde in Grösse, Beschaffenheit und Klima tatsächlich sehr ähnlich. Auch auf ihm lebten Myriaden von Wesen und eine hochentwickelte Zivilisation. Was man von der Erde aus trotz hervorragender Instrumente nicht erkennen konnte: Ibidum (so nannten die Bewohner ihren Planeten) war weitaus weniger gastlich als die Erde, was die Bewohner gezwungen hatte, mehr für Nachhaltigkeit, Ökologie und sozialen Zusammenhalt zu tun. In diesen Aspekten waren sie uns weit voraus. Aber auch in ihnen war der Wunsch gewachsen, einen Planeten mit besseren Lebensbedingungen zu suchen.

So kam es, dass fast gleichzeitig mit TERRA1 auch von Ibidum her ein Raumschiff aufbrach, um den Planeten Terra im Sonnensystem Sol zu erkunden, der, wie Wissenschaftler ermittelt hatten, eine Atmosphäre und organisches Leben zu besitzen schien. IBIDUM1, so nannte sich das Raumschiff sinnigerweise, kreuzte TERRA1 etwa auf halbem Weg, was aber niemand bemerkte, da Besatzungen schon bald aufgehört hatten, die Messresultate ihrer Raumschiffe zu sichten: Es geschah sowieso absolut nie etwas.

Am Ziel angelangt wurden die Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Grosskinder der Argonauten von TERRA1 in einem Briefing über ihre Herkunft und Mission und informiert. Nicht schlecht staunten die Terraner aber, als sie beim Öffnen der Ausstiegsluke ein jubelndes Empfangskommitee mit Honorationen, Blasmusik und Feuerwerk erblickten. Zwar konnten sie die Rede des Oberibidummers nicht verstehen, was aber egal war, da ein automatisch ablaufendes Bioscan-Programm gefährliche Proteine im Metabolismus der Einheimischen entdeckt und innert Minuten alle Anwesenden exterminiert hatte. Die ethnische Feinsäuberung des Planeten, die für eine Kolonialisation leider unumgänglich war, dauerte etwas länger.

IBIDUM1 landete nie auf Terra. Es wurde vom Anti-Raumangriffs-Sicherheitssystem der Grossmächte abgefangen und atomisiert, bevor es in die Erdatmosphäre eindringen konnte.


Thomas Oeschger,
29.8.2015, 114. Jahrgang, Nr. 241.

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