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«Wandzeitung» vom 29.11.2015:

KOPFSTAND:

Der Club der toten Visionäre.

Kürzlich habe ich wieder mal in Bill Brysons «Eine kurze Geschichte von fast allem» gelesen, dem Rückblick auf Jahrhunderte der Wissenschaften – und der Wissenschaftler hinter den Theorien und Entdeckungen. Ich habe gestaunt, wie viele von ihnen verkannt, verbittert gestorben sind, bevor die Menschheit begriff, dass sie Genies waren. Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben auch.

Aldous Huxley, der Autor von «Brave New World», sah die Gefahren von totalitären Diktaturen dank immer besseren technischen Überwachungsmöglichkeiten voraus, aber auch Manipulationen an Föten und Erbgut und die Veränderung der Gesellschaft durch Isolation und Indoktrination von Kleinkindern. Und die Drogen (Soma) und den Gruppensex der Siebziger. Geschrieben hat er das Buch – die meisten würden weit daneben raten: 1932. Einzig bei der Zeit, welche die Menschheit bis dahin brauchen würde, griff er tüchtig daneben. Der Roman spielt im Jahr 2540.

George Orwell schrieb sein «1984» im Jahr 1948, er drehte einfach die Zahlen um. Obwohl er seinen utopischen Roman als Warnung an die Menschheit verstand, glaubte er nicht daran, dass totale Überwachung jemals machbar sein würde. Heute, keine 70 Jahre später, sind wir soweit. Überwachungskameras wo immer Menschen in grösseren Mengen sich bewegen, unermessliche Datenbanken und Algorithmen, die jedes Detail blitzschnell aus diesen Datenozeanen herausfiltern können, GPS, elektronische Fesseln und subkutane Chips haben die Menschen im Griff. Noch will google unser Freund sein und das Wissen zum Wohl der Menschheit einsetzen. Aber das wollten Einstein, Oppenheimer und Heisenberg auch.

Am meisten staunen muss ich aber immer wieder ob Douglas Adams’ «Hitch-Hiker's Guide to the Galaxy», dem digitalen Reiseführer für intergalaktische Tramper der Hippie-Generation. Adams erdachte sich ein kleines schwarzes Gerät mit Bildschirm, das alles Wissen der Welt enthalten würde in Datenbanken, die fortlaufend aktualisiert werden. 1979 wurde der Roman publiziert, 1999 das erste Smartphone produziert.

Zwanzig lumpige Jahre für eine Entwicklung, die nichts als ein Scherz in einem Klamaukroman war – wenn das stimmt. Immer mehr Lesende beginnen zu realisieren, dass Adams weit tiefer in die philosophischen und wissenschaftlichen Dimensionen vorstiess, als vordergründig sichtbar ist. Aber er war ja auch kein Wissenschaftler, sondern Autor. Wenn sein Computer auf die Frage nach dem Sinn des Lebens die Antwort «42» liefert, zeigt er damit lediglich, dass man von Computern nichts verlangen soll, was sie nicht können. Wenn dann aber ein Supercomputer gebaut wird, der die Frage nach dem Sinn des Universums neu untersuchen soll, dieser Supercomputer sogar biologische Lebensformen enthält und «Planet Erde» genannt wird, kommen wir der Idee einer universellen Matrix verflixt nahe.

Douglas Adams, geboren im Jahr 1952, hätte sein schwarzes Gerätchen problemlos erleben können und er wäre in allen Talkshows der Welt herumgeboten worden, als der Visionär des Internets. Dummerweise starb er 2001 nur 49 Jahre alt an einem Herzinfarkt. In einem Fitnesstudio. Die Ironie hätte ihn belustigt.


Thomas Oeschger,
29.11.2015, 114. Jahrgang, Nr. 333.

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