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«Wandzeitung» vom 22.2.2015:

Mit Michael Mittermeier mittendrin:

Deutschfeindfreundlich.

Eigentlich sind sie krass voller Vorfreude, denn ein Kabarettabend steht an: grandiose Kleinkunst auf imposanter Bühne, die vom reichen Geist des brillanten Wortkünstlers ausgefüllt werden wird. Aber der Auftretende ist ein Deutscher!

Als Getreuer unserer nördlichen Nachbarn werde es ihm allenthalben schwer ums Herz, sagt Fridli zur Frieda, während sie aus dem Tram aussteigen und den Fussgängerstreifen überqueren. «Was treibt denn unsere Landsleute gegen die? Das Minderwertigkeitsgefühl der sprachlich Unterlegenen? Oder ist die Furcht vor Grossdeutschland nicht aus den helvetischen Köpfen zu verbannen?» – «Vielleicht ist es die Angst vor selbstkritischeren Menschen, besseren Patrioten, womöglich imponierenderen Wiederaufbauern?» – «Verdammt noch mal: Die sind doch unsere Vorfahren und sehr Schweiz-freundlich!»

Eine halbe Stunde zu früh höckeln die Friedlichs in der geräumigen Halle, auf ihren wohl überlegt ausgesuchten Plätzen: Der inneren Kälte wegen, möglichst nahe am Ort der witzigen Glut, aber mit genügend Abstand zum feurigen Artisten wie zum Rampenlicht. Und da steht der Mittermeier schon mittendrin. So, wie der Wind dem Baum die Stimme gibt, wenn er ihn umschmeichelt, schenkt der den Schweizern die böse Zunge: «Ich verabscheue Deutsche im Urlaub!», pöbelt er, und Tausende von helvetischen Händepaare schlagen sich im voll besetzten Hallenstadion entzückt auf die Schenkel und die ungezügelten Inlandmünder gröhlen. «Gut, aber nicht mit dem Grundhass wie ihr», wirft der Mitti in die Mitte und der enthusiastische Applaus ist voll ausgebremst.

Nur vier Schenkel werden jetzt noch geklopft und die Friedlichs mit bösen Blicken getroffen. Die Gelassenheit erstickt im entlarvten Deutschenhass. Feriendeutsche sind nicht übler als Ferienschweizer. Ausgerechnet der deutsche Michael Mittenmeier füllt das bedachte Studio mit Schweizern. Ist er hier in Zürich unter Freunden? Das Lachen verstummt, wenn er über Eidgenossenschaftliches lächelt. Wenn sich indes das findige Energiebündel als Bayer mit den Schweizern verbündet, sich überaus kundig zeigt in unserem fipsigen aussereuropäischen Raum, dann ist das helvetische Volk ausser Rand und Band vor Freude.

Aber obacht, der magistrierte Amerikanistiker kennt auch Österreich aus dem Effeff, die Bundesrepublik ohnehin, die Vereinigten Staaten allemal. Und wo war der nicht überall auf Safari. Der verbal sexualisierte Bühnenshower ist bei uns der Inbegriff des guten Deutschen, sympathisch, selbstkritisch, klug und wortgewandt.

Ganz so wie unser Viktor der gute Schweizer ist, mit träfen Witzli, der ennet des Scheinwerferlichts gerne unerkannt und mit Starrblick durch die Marktgasse huscht, mit kabarettistischen Ideen im Hirn und dem lähmenden Gefühl im Herzen: Ich bin ein Star, holt mich hier raus.

Fridolin ist im Element. Beim Schlummerbecher quatscht er seine Frieda zu: «Der Mitti ist kein Untermeier, kein Obermeier, der ist das Zentrum, eine Marke. Der gibt dem attraktiven Deutschen ein Gesicht, entzieht dem Steinbrück das Hässliche, macht Brandt zum Verehrten, Schmidt zum Bewunderten, den feindnachbarschaftlichen Schweizer aber zum Steinbröckelnden!»

 

 


Guido Blumer,
22.2.2015, 114. Jahrgang, Nr. 53.

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