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«Wandzeitung» vom 24.7.2014:

Mit meiner Entscheidung für die Pflege lag ich richtig:

Schattenseiten gehören zum Beruf.

Früh morgens, um 6 Uhr 20, im Bus Richtung Alterszentrum. Um diese Uhrzeit teilen praktisch nur Berufsleute im Gesundheitswesen denselben Bus wie ich. Dass ich mir seit einiger Zeit nur noch mit Kopfhörern im Ohr Platz im Bus suche, lässt sich auf einige Gespräche zurückführen, welche ich seit Beginn meiner Ausbildung unfreiwillig mithören musste.

«... und es kotzt mich so an, ständig mit XY zusammenzuarbeiten, mit ihr komme ich nicht vom Fleck!» Immer wieder stelle ich etwas nachdenklich fest, dass sich diese Personen gar nicht mehr so recht im klaren sind, aus welchen Gründen sie diesen Beruf gelernt haben. Ich kann die Unzufriedenheit solcher Personen richtig wahrnehmen. Klar, durch meine eigene Erfahrung fühle ich natürlich mit ihnen mit und weiss, dass unser Beruf auch sehr anstrengend und belastend sein kann. Mit diesem Wissen bin ich jedoch in die Ausbildung gestartet und habe mich auch auf die Schattenseiten eingestellt.

«... dann ist heute auch noch mein 6. Arbeitstag diese Woche und danach habe ich lediglich einen Tag frei!» Ich glaube, dass die Ursachen der Unzufriedenheit in uns selbst liegen und dass eine positive Einstellung stark zur eigenen Motivation beiträgt. Ich habe mir einige Gedanken zur Unzufriedenheit gemacht und überlegt was dagegen helfen könnte. Beispielsweise den Blick auf eigene Stärken zu lenken und sich zu loben, wenn etwas gelungen ist. Ausserdem sollten Fehler einfach als Fehler akzeptiert werden und nicht als Versagen. Vielleicht tut es auch mal gut, sich zu überlegen, was uns persönlich wichtig ist und nicht ständig fremde Anforderungen zu übernehmen. Ebenfalls als wichtig empfinde ich, keine perfektionistischen und extrem hohen Anforderungen an sich selber zu stellen. Falls irgendwelche Probleme vorhanden sind, sollten diese angesprochen werden, denn nur so kann nach geeigneten Lösungen gesucht und die auch gefunden werden. Dass es viel Mut braucht sich zu wehren und hinter einer kritisierenden Meinung zu stehen ist mir natürlich bewusst. Viel belastender ist es aber, ständig ein ungutes und unzufriedenes Gefühl mit sich herumzutragen.

Für mich bedeutet die Tatsache, Menschen in ihren Defiziten zu unterstützen, ein offenes Ohr für sie zu haben und ihnen in Krisensituationen beizustehen so viel, dass ich die schwierige Seite des Berufs oft nur gering wahrnehme. Die Dankbarkeit und Wertschätzung, welche ich dafür von jeder einzelnen Bewohnerin, jedem einzelnen Bewohner auf unserer Abteilung zu spüren bekomme, zeigt mir immer wieder, dass sogar eine Lernende wie ich sehr viel zum Wohlbefinden unserer hochgeschätzten Klientel beitragen kann.

6 Uhr 30: Motiviert und zufrieden stehe ich vor meinem vertrauten Alterszentrum. Und ich bin mir einmal mehr ganz sicher, dass ich mich für die absolut richtige Ausbildung entschieden habe.


Indira Weber,
24.7.2014, 113. Jahrgang, Nr. 49.

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Standpunkte:

30.7.2014, 09:54 Uhr.

Momo Appenzeller schrieb:

Bravo! Manch einer könnte sich von Deiner gesunden Einstellung eine Scheibe abschneiden! Bewahre sie Dir, sie ist ein kostbarer Schatz! Ausdrucken und sich immer wieder vor Augen halten. Herzlichst, Deine Tante.


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