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Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
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«Wandzeitung» vom 7.7.2016:

Eine allzu ehrliche beziehungsweise platte Kritik kann auch ein verborgenes Talent verhindern:

Meine Stimme ist nicht medial genug.

Ja, ich habe meine leidenschaftlich geführte Zeitung verloren. Habe hierauf sehr viel Neues probiert, das ennet der Möglichkeit selbst zu investieren lag. Habe bei der mittlerweile einzigen Tageszeitung am Platz mit Begeisterung sechs anständig bezahlte Nachtreportagen schreiben dürfen. Doch dann fiel das Schwert der Henkerin, die niemals mehr eine Zeile von mir in der von ihr bezahlt geführten Zeitung sehen wollte. Hierauf habe ich es für Gotteslohn bei einem Lokalradio vor Ort versucht. Dort durfte ich immerhin über einige Zeit Abstimmungen und Wahlen kommentieren. Der mir beinahe in Freundschaft verbundene Boss hat meine engagierte Rede plötzlich krass gestoppt, meiner untauglichen Stimme wegen. Sie ist zu hell und sanft fürs Radio, einfach nicht medial genug, jenseits der Ansprüche eines Klangmediums. Vor zwei Jahren habe ich zusammen mit Roger Rutz Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz gegründet, die «Wandzeitung» am Obertor 32. Da entdecken immer mehr Menschen tagtäglich einen neuen Text im Aushang, von einer der vierzig beflügelt mitschreibenden Personen, die um Mitternacht im Internet aufgeschaltet werden. Beim Start vor zwei Jahren gab es monatlich gegen 900 Klicks, jetzt sind es im gleichen Zeitraum bereits 3000 Personen, die mittlerweile pro Anwahl etwas über fünf Minuten lang in unserem elektronischen Archiv lesen.

Zu meiner grossen Freude haben wir mittlerweile eine fipsige Zusammenarbeit mit dem hiesigen Radio Stadtfilter und seinem überaus sympathischen Team. Übern Äther ist es auf 96.3 zu erreichen, über Cablecom auf 107.35. Die mit uns beflügelnd kooperierende und inspirierende Radiofrau Oriana Ziegler-Somarriba hat mich irritiert gefragt, wie ich darauf käme, dass meine Stimme nicht in Ordung sei? «Jede Stimme ist okay!», vertritt sie, und das gibt mir etwas Mut.

Wie ich erkundet habe, ist die menschliche Stimme durch die Stimmlippen erzeugt wie auch der in Mund-, Rachen- wie Nasenhöhle modulierte Schall, also Schreien, Weinen, Lachen, Stöhnen. Eine angenehme Stimme nennt man Aphonie. Sie lässt uns spüren, ob wir jemanden sympathisch finden oder nicht. Warum indes werden menschliche Laute mitunter als schrecklich empfunden? Jeder Mensch hat doch von Geburt an eine sogenannte Normalsprechlage. Wenn also jemand in seiner natürlichen Stimmlage spricht, sich in seiner Haut wohl fühlt, klingt das angenehm, authentisch, natürlich. Hingegen verrät sich eine verkorkste Persönlichkeit durch ihre gepresste Stimme. Auch wenn der Mensch wütend, zornig oder traurig ist, klingt die Stimme wohl kaum behaglich.

Wenn also jemand in seiner natürlichen Stimmlage spricht, klingt das für uns angenehm. Es wirkt authentisch und natürlich und lässt sich auch an der Stimme erkennen, ob sich jemand in seiner Haut wohlfühlt. Eine verkorkste Persönlichkeit dringt bis zur Stimme durch, sie klingt gepresst. So ähnlich ist’s wohl auch, wenn man in Wutstimmung oder im Trauerlaune ist. Wer soeben geweint hat und anschliessend das Telefon abhebt, kann seinen Gefühlszustand wohl nur schwer verstecken. Drum lasse ich mich künftig voll von Oriana inspirieren und ihrer grossen Kraft des positiven Denkens. Und plötzlich stimmt’s mit meiner Stimme.


Guido Blumer,
7.7.2016, 115. Jahrgang, Nr. 189.

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