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«Wandzeitung» vom 19.5.2016:

Mann: Böhmer oder Blatt?

Ziegenficker ...

Was darf man, kann man, soll man? Oder was soll man eher nicht? Die Kommentare zu den mehr oder weniger originellen Sprüchen von Böhmermann und Blattmann kennen wir zur Genüge: fast alle haben ihren Senf dazu gegeben, gefragt oder nicht. Auch Alt-Bundesrat Leuenberger glaubte sich dazu äussern zu müssen: Ob Satire alles darf oder nicht. Ob Wutausbrüche oder Beschimpfungen wirklich nötig sind. Fazit: Satiriker und Künstler dürfen (fast) alles. Toll. Aber wenn ich, der ich weder noch bin, ausfällig werde, dann käme ich dran, oder? Wenn ich als Armeechef etwas Unpassendes rauslasse, dann gute Nacht, oder?

Es ist schon so: Nicht alle dürfen alles, niemand muss. Das Gedicht von Böhmermann finde ich schlicht daneben, das ist nicht einmal Provokation. Aber dass man daraus eine Staatsaffäre machen muss, das verstehe ich nicht. Wenn der Max dem Fritz sagt, er sei ein Ziegenficker, dann wird der ihm sagen, er sei selber einer, oder ihm eine schmieren oder ihn mit einem anderen feinen Titel beehren. Bei Staatsoberhäuptern geht das nun einmal nicht: Erdogan kann Böhmermann keine schmieren, und da er sich ja wahrscheinlich in einer arschlochfreien Zone befindet, auch keine Schimpfwörter anhängen. Erdogan hat es da nicht so einfach; also, dann macht man mal richtig Dampf und zeigt den Deutschen, dass es so nicht geht: Frau Merkel musste ein wenig zu lange überlegen, ob sie die Anklage zulassen will oder nicht. Die nette Begründung: Nicht die Politik, sondern die Gerichte sollen darüber entscheiden, ob der Böhmermann dem Erdogan so kommen kann. Subito eine Staatsaffäre. Effekt: Alle wissen, dass Erdogan als Ziegenficker durchgehen könnte, Böhmermann hat Publicity wie noch nie: Die ganze Welt spricht von diesem Ziegenfickergedicht und eben von Böhmermann. Nebenwirkung: Er braucht ein wenig Pause und ein wenig Polizeischutz. Und der Chef des Axel-Springer-Verlags kommt auch noch dran.

Bei Blattmann ist es anders, der braucht keinen Poilzeischutz, der hat ja die ganze Armee hinter sich, ausgenommen vielleicht die fürchterlichen Kackbratzen, sorry: Kotzbrotzen, die in der Armee sitzen und ihm einiges eingebrockt haben, das ihm ziemlich sauer aufstösst. Im Gegensatz zu Böhmermann, der stolz bei seinem Schmähgedicht und seiner Ansicht bleibt, hat sich Blattmann – allerdings erst unter Druck – öffentlich entschuldigt. Würde er nicht Ende Jahr pensioniert, hätte man ihn mit Sicherheit zum Rücktritt gezwungen.

Für Nicht-Satiriker und Nicht-Künstler gilt die alte Regel: zuerst denken, dann reden. Blattmann kann sich rausreden, es sei ihm halt einfach so rausgerutscht. Im Affekt sozusagen. Aber er macht seinen Job schon so lange, dass er seinen Affekt ein wenig hätte bremsen müssen, können, sollen.

Bei Parmelin sind wir gnädig: Er hat niemanden beschimpft, wollte nur sich und seine Familie ein wenig steuermässig bevorzugen. Er hat als Jungspund im Bundesrat nicht gewusst, dass er elegant in den Ausstand hätten treten müssen, sollen, können. Im «Blick» lesen wir, dass er von der GPK regelrecht grilliert worden sei, 90 Minuten lang. Das würde ich dem Blatt- und Böhmermann auch wünschen, eventuell auch dem Erdogan.

 


André Bernhard,
19.5.2016, 115. Jahrgang, Nr. 140.

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