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«Wandzeitung» vom 19.12.2016:

Schenken?!

Wollen oder brauchen?

Eigentlich wollte ich nicht über Weihnachten schreiben, da schreiben ja alle schon die schönsten und rührendsten Sachen. Was ich wollte, war «PISA/SCHIEF», nein, nicht über den schiefen Turm, sondern über die Pisa-Test-Geschichte. Weil ich die 3,3 Millionen Schweizer Franken lieber anders investieren würde. Weil Pisa-Teste schief sind, so schräg etwa wie der Stellwerktest, den ALLE machen müssen – egal ob sie einen guten oder schlechten Tag erwischt haben. Aber an Weihnachten oder kurz zuvor soll man sich nicht über die Bildungspolitiker ärgern, das machen sie hoffentlich selber im warmen Weihnachtsstübchen. Also dann lieber über das Schenken, das Schenken an Weihnachten und auch sonst. In meiner Familie haben wir das Schenken abgeschafft. Das spart viel Überlegen und viel Geld. Wenn man älter wird, hat man ja sowieso schon alles und von allem einiges zuviel – meine Vynil-Platten-Sammlung, 1000 Stück, habe ich bereits verschenkt, allerdings nicht zu Weihnachten, sondern beim letzen Umzug meinen Söhnen.

Wenn Sie den Unterschied zwischen BRAUCHEN und WOLLEN kennen, sparen Sie einiges an Geld und Überlegung. Leider habe ich zu spät bemerkt, was der Unterschied zwischen diesen beiden Verben wirklich bedeutet. Erst vor zwei Jahren bin ich zufällig auf eine erleuchtende Bemerkung in einem philosophischen Text gestossen. Seitdem frage ich mich – nicht immer, aber immer öfter – vor dem Kauf einer Sache, ob ich sie tatsächlich brauche oder ob ich sie einfach nur haben will, das heisst besitzen möchte. Das ist manchmal doch etwas schmerzhaft ...

Das Entrümpeln ist ja seit einiger Zeit grosse Mode geworden. Marie Kondo aus Japan hat es uns vorgemacht: Entrümpeln, aufräumen, putzen erleichtert das Leben und macht glücklich, vor allem Frau Kondo macht es glücklich, denn ihr Gebrauchsanweisungen zum Aufräumen sind in 27 Sprachen übersetzt worden und insgesamt 7 Millionen Mal über den Ladentisch gegangen.

Bei mir hat sich einiges angehäuft, aber seit ich mir WOLLEN oder BRAUCHEN überlege, hat es erheblich gebessert. «Weniger ist mehr», «Wie viel ist genug?» Schlagwörter, die es in sich haben. Die Menschen, die versuchen, mit dem absoluten Minimum an Dingen zu leben (oder zu überleben) machen wichtige Erfahrungen. In Zürich – sie haben es bestimmt auch gelesen – hat jemand versucht, seine Wohnung und seinen Besitz auf 100 Dinge zu beschränken, beispielsweise nur eine Hose, nur ein Messer usw. Es ist ihm dann doch nicht ganz gelungen: Er ist bei 200 gelandet. – Minimisieren bedeutet demnach, von jeder Sache nur ein Exemplar zu haben. Wenn ich jetzt gerade an Handys denke, ist es kein Zufall. Wie viele Exemplare haben oder hatten Sie schon? Unzählige Menschen kaufen – oder neu: mieten – sich jeweils das neuste Modell eines iPhones oder Samsungs, obwohl das neue nicht mehr oder nichts besser kann als das alte.

Falls ich doch jemandem zu Weihnachten etwas schenken würde, müsste ich mir überlegen, ob er oder sie das wirklich braucht. In 90% der Fälle wäre die Antwort nein. Dann denke ich vielleicht, dass kleine Geschenke die Freundschaft erhalten. Ja, und was ich noch sagen wollte: Schöne Weihnachten! Trotzdem ...


Andre Bernhard,
19.12.2016, 115. Jahrgang, Nr. 354.

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