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«Wandzeitung» vom 17.9.2016:

Aus meinem Adventskalender:

Sandmännchen und Strandmännchen.

Das Sandmännchen sitzt an Lus Bett und hat ein Problem. Es soll eine «Gutenachtgeschichte» erzählen, und es weiss keine. Es grübelt und Lu fragt: «Wie bist Du eigentlich Sandmännchen geworden?» – «Das ist eine gute Frage!», sagt das Sandmännchen und weiss nun endlich, was es erzählen kann. «Vor langer Zeit bin ich am Ufer vom Meer geboren worden, als siebtes Kind einer Strandmännchenfamilie. Wir lebten zufrieden in einer kleinen Höhle, sammelten Muscheln und tauschten diese mit den Erdmännchen gegen Beeren und Pilze ein. Leider stieg der Meeresspiegel und unsere Höhle wurde geflutet. Wir konnten uns mit einem Boot retten, gerieten aber in einen Sturm. Das Boot kippte um und wir wurden getrennt.» Lu bekommt grosse Augen und sagt voller Angst: «Aber es ist doch niemand ertrunken?» Das Sandmännchen legt ihm beruhigend die Hand auf den Arm: «Mach dir keine Sorgen. Wir konnten an den Strand schwimmen, denn Strandmännchen finden immer ans Land.» Lu ist erleichtert. «Und was ist dann geschehen?» Das Sandmännchen wird ernst und sagt: «Wir hatten unser Heim verloren, wussten nicht wohin, waren kalt und hatten Hunger. Das Meer war zu rau, um nach Muscheln zu tauchen. Wir kuschelten uns zusammen und versuchten zu schlafen. Als der Mond aufging, tauchte ein Kobold auf. Er sagte, dass wir von nun an arbeiten müssten. Wir waren verwirrt. Von arbeiten hatten wir noch nie gehört. Der Kobold lachte uns aus. Er sagte, dass unsere Eltern schon alt seien und wir für sie sorgen müssten. Er hätte uns sieben verschiedene Arbeiten zu vergeben. Dafür hätten wir immer genug zu essen und könnten uns jeder ein sicheres Zuhause suchen.»

Lu reibt sich die Augen und fragt: «Das ist aber ein netter Kobold, nicht wahr? Was für Jobs hat er euch verteilt?» – «Eins wurde dazu eingeteilt, dass er kranke Kinder im Spital aufmuntert. Zwei schaut dafür, dass die Leute, die ihre Schlüssel verlegen, diese wieder finden. Drei sorgt dafür, dass die Menschen einen freien Parkplatz finden, wenn sie danach fragen. Vier weckt die Blumen am Morgen, damit sie den ganzen Tag blühen. Fünf bläst die Wolken vor der Sonne weg, damit sie in Ruhe scheinen kann.» Da runzelt Lu die Stirn und protestiert: «Na hör mal, diese Arbeit macht Fünf aber nicht so zuverlässig.» Das Sandmännchen nickt nachdenklich: «Da hast Du Recht. Er verschläft oft. Der Kobold ist auch nicht so zufrieden mit ihm und hat überlegt, ob Fünf nicht mit Drei tauschen sollte. Schliesslich fahren nun so viele Leute Auto, dass sie gar nicht alle einen Parkplatz finden können.

Und so fällt keinem auf, wenn Fünf wieder einmal einnickt.» Lu gähnt: «So ist das also. Gut, dass ich das jetzt weiss. Dann werde ich laut nach Fünf rufen, wenn mein Vater einen Parkplatz braucht. Was ist mit Sechs?» – «Sechs putzt den Mond, und weil das so anstrengend ist, sieht man den nur einmal im Monat als ganze Kugel.» Lu fallen die Augen zu und ganz ermattet fragt sie: «Und du bist Nummer Sieben?» Das Sandmännchen lächelt, deckt Lu zu, küsst sie auf die Stirn und sagt: «Nein, Lu, ich bin das Sandmännchen. Gute Nacht.»


Momo Appenzeller,
17.9.2016, 115. Jahrgang, Nr. 261.

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