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«Wandzeitung» vom 15.3.2016:

Bombenalarm am «Tag des Vaterlandsverteidigers»:

Pfannkuchen-Terrorist.

Zum «Tag des Vaterlandsverteidigers» am 23. Februar machte mir meine Frau einen ganzen Stapel gefüllter Pfannkuchen für unser Festchen an der Arbeit. Es gibt in Russland zwar keinen Karneval, aber weil die «Masleniza», die so genannte «Butterwoche» vor der grossen Osterfastenzeit schon nahe ist, bäckt man gerne Pfannkuchen. Gefüllt werden die «Blini» mit allem Möglichen: von Honig, über Kaviar bis hin zu Quark oder Kondensmilch.

Die Tasche stellte ich gewissenhaft vor die Wohnungstür, um sie nicht zu vergessen. Mit zwei Tüten verliess ich morgens das Haus – in einer Hand den Müll, in der anderen die Köstlichkeiten. Vor dem Müllcontainer noch ein Kontrollblick in den Abfallsack – nur nicht verwechseln! Wurf. Geschafft! Nächste Station: die Rechnungen für Gas, Strom und Heizung bezahlen. Dann in den Metroschacht hinunter mit der tiefen Befriedigung, die lästigen Dinge für diesen Monat erledigt zu haben. Erst beim Umsteigen bemerkte ich, dass die Pfannkuchen weg waren – verflucht!

Rechtsumkehrt, die Blini mussten gerettet werden – falls sie noch dort waren. Also wieder raus aus der Metro und hin zum Schalter, wo ich soeben die Rechnungen bezahlt hatte. Irrenwärterblick - «Ach, sie waren das – nein, die grüne Tasche wurde schon von der Polizei beschlagnahmt. Fragen sie an der Hauptkasse.» Dort erwartete mich ein ähnlicher Blick, und sobald mich mein Akzent als Ausländer entlarvt hatte, mischte sich noch eine Portion Misstrauen hinein. «Ihre Tasche befindet sich bereits auf dem 77. Polizeirevier», meinte die Dame mit ergrauter Dauerwelle.

«Aber da war doch nur Essen drin», stammelte ich hilflos. «Eine grüne Tasche voller Pfannkuchen und oben drauf eine Schachtel Pralinen.» Mein Gott, wie bescheuert das klang! «Wir haben nicht in die Tasche geschaut – wir haben gar kein Recht dazu!» So schnarrte die Dame. Nun begann ich es schon langsam lustig zu finden. «In der Tat besitzen sie keinerlei Recht, meine Pfannkuchen und die darüber befindliche Pralinenschachtel auch nur mit einem Blick zu streifen! Das möchte mir verbeten haben!» So äffte eine empörte Stimme in mir die Frau am Schalter nach. Doch ich machte nur ein bedripstes Gesicht und bat die Beamtin artig, den Polizisten doch bitte guten Appetit und alles Gute zum Festtag auszurichten. Sie nickte ernst.

Nun wurde mir die ganze Absurdität der Situation bewusst – da war ich doch gerade vom stolzen Vaterlandsverteidiger zum potentiellen Terroristen mutiert! In meiner Fantasie malte ich mir aus, wie meine grüne Tasche zuerst von einem Bombenhund beschnüffelt wurde, der wegen des feinen Dufts fast ausflippte und danach der ganze Schalterraum evakuiert und die Pfannkuchen mit Hilfe eines Raupenroboters in die Luft gesprengt wurden, dass die Pfannkuchenfetzen nur so flogen.

Doch als ich in der Metro den Metalldetektor durchschritt, verging mir das Lachen. Tatsächlich waren Bedrohung, Misstrauen und Angst allgegenwärtig – und sie waren es auch, die meine Pfannkuchen in Sprengstoff verwandelt hatten. Russland bombte, also musste es sich auch vor Bomben fürchten. In den Köpfen waren hier alle längst zu Verteidigern geworden.

 


Eugen von Arb,
15.3.2016, 115. Jahrgang, Nr. 75.

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