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«Wandzeitung» vom 15.6.2016:

Putin lässt ukrainische Pilotin Nadeschda Sawtschenko frei:

Von dieser Frau wird man noch hören.

Die Nachricht von der Freilassung der ukrainischen Fliegerin Nadeschda Sawtschenko wurde seit langem erwartet. Ihre mysteriöse Verhaftung 2014 im Donbass mit anschliessender Verbringung nach Russland sowie der an den Haaren herbeigezogene Prozess liessen erwarten, dass sie die Haftstrafe von über zwei Jahrzehnten zu der sie verurteilt wurde, kaum absitzen würde.

Ihre Verteidigung konnte beweisen, dass die Hubschrauberpilotin bereits in Gefangenschaft war, als die beiden russischen Fernsehjournalisten getötet wurden, auf die sie angeblich das Feuer gelenkt haben soll. Ebenso inszeniert wirkte die per Fernsehen übertragene Bitte der Verwandten der umgekommenen Journalisten an Präsident Putin, Sawtschenko zu begnadigen.

Diese hatte sich nicht nur beharrlich geweigert, selbst ein Gnadengesuch einzureichen, sondern erwies sich in jeder Hinsicht als äusserst unbequeme Gefangene. Trotz der Bemühungen, sie blosszustellen und in die Ecke zu treiben, bewies sie immer wieder ihre Unbeugsamkeit und ihren Patriotismus, indem sie während der Gerichtsverhandlungen die ukrainische Hymne sang und mehrmals in den Hungerstreik trat. Damit erregte sie nicht nur Aufsehen, sondern brandmarkte den Prozess erfolgreich als politisch motiviert. Schliesslich wurde sie von Russland ausgespuckt wie ein saurer Apfel.

Zwar hat Moskau damit einen Schandfleck getilgt, der für internationales Aufsehen sorgte. Aber umgekehrt fragt es sich, ob sich der Kreml damit nicht ein neues Problem geschaffen hat, denn Sawtschenko kehrte als echte Kriegsheldin in ihre Heimat zurück, die das Volk mit ihrem Charisma zu begeistern versteht. Niemand war erstaunt, als sie gleich am nächsten Tag ihre Bereitschaft verkündete, Präsidentin zu werden, und niemand zweifelte an der Ernsthaftigkeit dieses Statements. So könnte Putin seiner Gefangenen schon bald wieder begegnen – und zwar auf Augenhöhe.

Doch auch für die ukrainischen Machthaber könnte die «ukrainische Jeanne d'Arc» zu einem Problem werden. Das gilt in erster Linie für Präsident Poroschenko, der sich trotz seiner politischen Unerfahrenheit als stattlicher Präsident gezeigt hat, doch als Oligarch mit Offshore-Konten im Ausland ein echtes Glaubwürdigkeitsproblem hat. Auch seine unterwürfige Haltung gegenüber dem Westen stösst bei vielen auf Kritik.

Auch seine Opponentin, die «Gasprinzessin» Julia Timoschtschenko, hat als Oligarchin und erfolglose Ex-Ministerpräsidentin schon viel politisches Kapital verspielt. Obwohl es ihr gelang, die junge Sawtschenko als Abgeordnete in ihre Partei «Vaterland» einzubinden, wurde die Rivalität mit der widerborstigen Soldatin schon am Tag von deren Freilassung ersichtlich als sie beim Empfang am Flughafen Timoschenkos Blumenstrauss zurückwies.

Wie auch immer – von dieser Frau wird man noch hören, denn sie hat im Moment wie keine andere politische Figur die Kraft, das Volk zu einigen. Eine einige Ukraine ist das Schlimmste, was sich der Kreml wünschen kann. Aber auch in Washington und Brüssel hat man lieber eine handzahme Ukraine.

 

 


Eugen von Arb,
15.6.2016, 115. Jahrgang, Nr. 167.

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