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«Wandzeitung» vom 15.9.2016:

Hassliebe Russland-Finnland:

Petersburger streiten um ein Denkmal.

Während der Ukraine-Krise haben sich Russlands Beziehungen zu fast allen Nachbarstaaten schlagartig verschlechtert. Eine grosse Ausnahme ist Finnland – ein Staat mit weniger Einwohnern als die Schweiz, dem es dank entschlossenem Widerstand einerseits und geschicktem Taktieren andererseits gelungen ist, ein weitgehend normales Verhältnis zu bewahren.

Zu verdanken sind die gutnachbarlichen Beziehungen vor allem einer Figur – dem Staatspräsidenten und General Carl Gustaf Emil Mannerheim (1867-1951). Ihm gelang es mit viel Weitsicht, Verhandlungsgeschick und einer bisweilen harten Hand, die Unabhängigkeit seines Landes durch zwei Kriege zu retten, ohne zwischen den ideologischen Blöcken aufgerieben zu werden.

Dies war nur nur möglich, weil er die Russen kannte, denn vor der Oktoberrevolution und Finnlands Unabhängigkeit von Russland durchlief Mannerheim in St. Petersburg eine militärische Ausbildung und kämpfte während des ersten Weltkriegs auf der Seite Russlands. Dies und seine brilliante Rolle als politischer und militärischer Führer brachte ihm auch auf russischer Seite viele Verehrer ein, zu denen unter anderen der russische Kulturminister Wladimir Medinsky gehört. Dieser enthüllte im vergangenen Juni zusammen mit dem Leiter der Präsidentenadministration Sergei Iwanow eine Gedenktafel an der Petersburger Militärhochschule, die Mannerheim absolvierte.

Ein ungewöhnlicher Akt in einer ungewöhnlichen Zeit, denn bei aller Freundschaft hat sich Finnland während der Ukraine-Krise deutlich zur Position des Westens bekannt und spricht zeitweise sogar von einem möglichen Nato-Beitritt. Daher gehört es für viele Russen zum feindlichen Lager, und der Protest gegen das Mannerheim-Denkmal blieb nicht aus.

Allen voran liefen die Kommunisten und die nationalistische Bewegung «Anderes Russland» gegen die Tafel Sturm. Noch immer nehmen sie Mannerheim seine Rolle im von Russland provozierten Winterkrieg 1939/40 und seinen Pakt mit Hitlerdeutschland übel, mit dem Finnland 1941 gemeinsam die Sowjetunion überfiel.

Zweimal wurde die Gedenktafel mit dem «Faschisten» Mannerheim seither mit roter Farbe bespritzt – die Täter blieben unbehelligt. Doch jedes Mal wurde die Tafel gereinigt und hängt noch dort. Mittlerweile konnten die Gegner sogar beweisen, dass das Denkmal ohne Genehmigung montiert wurde und fordern seine sofortige Entfernung.

Doch bei den Nachforschungen stellte sich gleichzeitig heraus, dass die Militärschule, an dessen Wand Mannerheim in Bronze glänzt, ein föderales Subjekt ist, für das die Regierung in Moskau und nicht die Stadt Petersburg zuständig ist. Damit biss sich die russische Bürokratie wieder einmal in den eigenen Schwanz – und bewahrte das Relief bis auf weiteres vor der Demontage.

Dies und die Tatsache, dass der Kulturminister plant, eine Reihe wissenschaftlicher Aufsätze über Mannerheim zu veröffentlichen, lassen die Chancen auf einen Verbleib des Denkmals deutlich steigen. Und während die Russen leidenschaftlich diskutieren, blickt der legendäre Feldherr zuversichtlich über den kleinen irdischen Streit hinweg in die Zukunft.


Eugen von Arb,
15.9.2016, 115. Jahrgang, Nr. 259.

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Standpunkte:

18.9.2016, 22:01 Uhr.

F. W. Lehmann schrieb:

Finnland hat sich im Russisch-finnischen Winterkrieg (1939-1940) sowie im Fortsetzungskrieg (1941-1945) behauptet und lebt! Das verdient die Anerkennung aller freiheitlich denkender Personen.
Und Mannerheim ist DAS finnische Freiheitssymbol! Es ist ermutigend, dass er mittlerweile auch von unabhängig denkenden Russen anerkannt wird.
Indessen darf nicht vergessen werden: Mannerheims Ruf beruht grösstenteils auf den Leistungen seines Generalstabschefs und späteren Gewinners der Abwehrkämpfe von Tali-Ihantala (1944) – und das war ein bodenständiger Emmentaler, Käser, Wissenschaftler und Generalstabsoffizier aus der Gemeinde Unterlangenegg, BE. Sein Name: Karl 'Kari' Oesch. Als das Mannerheims Denkmal in Turku/Abo eingeweiht wurde hiess es zurecht: Das Denkmal gehört Mannerheim, das Piedestal (Denkmalfundament) muss man aber Kari Oesch widmen, den ohne Oesch gäbe es keinen Mannerheim. Mehr unter Wikipedia/Karl Lennart Oesch.


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