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«Wandzeitung» vom 2.6.2016:

Aus meinem Adventskalender:

Engelchen und Teufelchen.

Engelchen und Teufelchen sitzen in der Schule. Engelchen langweilt sich, gibt sich aber Mühe einen guten Eindruck zu machen. Teufelchen spickt mit Gummis herum und benützt die Blumenvase als Ziel. «Zack», getroffen. Die Vase zerbricht und alles fällt zu Boden. Die Klasse hält den Atem an. Während die Lehrerin Teufelchen ausschimpft, den es kann ja nur es gewesen sein, putzt Engelchen die Sauerei auf. Es ärgert sich über Teufelchen, aber irgendwie hat es auch Mitleid mit ihm. Weil es immer so böse und hinterlistig ist, hat es keine Freunde und muss sich sehr einsam fühlen. Oder ist es umgekehrt: Weil es traurig ist, keine Freunde zu haben, ist es böse und hinterlistig? Irgendwie ist beides plausibel. Was wirklich stimmt, möchte Engelchen herausfinden.

Teufelchen muss Nachsitzen und beim Hausmeister beim Putzen helfen. Es flucht vor sich hin. Vielleicht nervt es sich ob sich selber, denkt Engelchen und geht zu ihm hin.

«Hallo Teufelchen. Wie geht’s?», fragt es schüchtern. «Verpiss dich», erwidert das Teufelchen und sieht grimmig aus. Engelchen schluckt die Beleidigung runter und fragt tapfer: «Soll ich dir helfen? Dann bist du in der Hälfte der Zeit fertig.» Es hat ein bisschen Angst vor Teufelchen, denn es kann mega ausrasten. Aber Teufelchen ist einfach nur baff. Das hat es noch nie gegeben, dass ihm jemand seine Hilfe angeboten hat. Alle hatten es bisher gemieden. «Sehr gerne!», stammelt es.

Engelchen ist glücklich. Sie putzen schweigend nebeneinander. Engelchen, weil es den Frieden zwischen ihnen nicht gefährden will und Teufelchen, weil es nicht weiss was es sagen soll. Es ist sich nicht gewöhnt mit jemandem nett zu sein. Und Engelchen ist nett, das weiss es jetzt. Bis jetzt war es ihm zu brav gewesen. Nun findet Teufelchen es auch sehr mutig. Keiner hatte es bisher gewagt Teufelchen anzusprechen.

Als sie fertig sind, will Engelchen die Putzsachen wegräumen, aber Teufelchen nimmt sie ihm aus der Hand und sagt: «Das mache ich schon. Geh ruhig.» Engelchen ist happy und strahlt. «Das ist aber nett von dir.» Teufelchen staunt: «Du findest MICH nett?» Engelchen schaut Teufelchen in die Augen und sagt ernst: «Ja!» Da bricht Teufelchen in Tränen aus. Engelchen legt tröstend die Hand auf seine Schulter. Da kugeln sie noch mehr und Engelchen weiss nun, dass es Recht hatte. «Es ist nicht leicht, wenn man als Teufelchen geboren wird, gell?» sagt es leise. «Ja, alle sehen in einem nur ein solches», schluchzt Teufelchen. «Und irgendwann ist man dann auch eines», ergänzt Engelchen. «Warum bist du so gut?», fragt Teufelchen. «Weil ich als Engelchen geboren worden bin. Ich habe es da leichter als du», sagt es. «Ja, aber zu gut kann man nicht sein. Aber zu böse schon», schluchzt Teufelchen. «Das stimmt», gibt Engelchen zu. «Aber weisst du was? Wer Tränen weint, kann nicht nur böse sein. Der hat ein Herz.» – «Bist du sicher?», fragt Teufelchen voller Hoffnung. «Aber natürlich!», sagt Engelchen und lacht. Und Teufelchen lacht mit. Es ist zwar als solches geboren und sieht auch wie eines aus, aber eigentlich ist es gar keins!


Momo Appenzeller,
2.6.2016, 115. Jahrgang, Nr. 154.

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