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«Wandzeitung» vom 18.7.2016:

Alltägliches:

Unterwegs zu neuen Ufern.

Über das RAV (Regionales Arbeitsvermittlungs-Zentrum) hat jeder so seine Meinung. Entweder hat man dies oder das gehört oder diese oder jene Erfahrung gemacht. Massgebend ist die Handhabung der Materie, welche von Kanton zu Kanton verschieden sein kann und entscheidend ist die Chemie zwischen dem Kunden und seiner Sachbearbeiterin. Dann gibt’s nämlich noch allerhand Spielraum zwischen den Rechten und Pflichten der Beteiligten. Mein Sachbearbeiter hat die Menschen gern, wie er sagte, dies sei für ihn sein Motto und nach diesem handle er. Wenn der vis-à-vis so rüber kommt, dass er aus seiner Situation das Beste machen wolle und Vollgas gäbe, um wieder im Arbeitsmarkt unterzukommen, dann mache er auch sein Möglichstes. Es ist sonst schon schwierig in der heutigen Wirtschaftslage. Viele Leute – so auch ich – sind schwer vermittelbar. Weil sie vielleicht keine genügend guten Diplome besitzen, oft den Beruf gewechselt haben, zu oft die Stelle gewechselt haben oder eventuell gar Lücken im Lebenslauf haben. Wenn sie eine seltene Ausbildung haben und sich kaum vorstellen können in einem anderen Berufsfeld einzusteigen, wenn sie nicht ganz gesund und dem Druck nicht mehr gewachsen sind und wenn sie keine Handwerker sind. Handwerker können nämlich meistens sofort wieder irgendwo anfangen. Allerdings muss man weite Wege in Kauf nehmen. Das gilt absolut als zumutbar. Hatte ich jetzt schon geseufzt über meine Strecke zwischen Wil und Herisau, muss ich Stellenangebot bis ins Glarnerland oder die Innerschweiz akzeptieren. Solche Ausgaben belasten wiederum den Teilzeit-Lohn.

Immerhin bin ich vielseitig und kann mich auf viele Angebote bewerben. Allerdings habe ich es innert der letzten fünf Wochen noch nicht zu einer persönlichen Bewerbung geschafft. Mein Sachbearbeiter hat mir Mut gemacht, ich solle mich auf viele Absagen gefasst machen. Zum Glück sind einige dieser Eingänge sehr mitfühlend und wohlwollend formuliert. Das tut der Motivation gut. Ich muss mich täglich zusammen reissen, um an der neuen Aufgabe, der Jobsuche, nicht zu verzweifeln. Bei einigen habe ich nachtelefoniert um nach dem Stand der Dinge anzufragen. Man bat mich um Geduld, sie hätten an die hundert Angebote auf dem Tisch liegen. Der Druck durch das RAV und der Arbeitslosenkasse, die monatlich acht Arbeitsbemühungen fordern, tut das seine dazu. Viele Leute müssen sich auf Jobs bewerben, die weder ihren Qualifikationen noch ihrem Interesse entsprechen. Einfach damit sie auf diese acht Pflichtbewerbungen kommen. Ansonsten gibt es Strafen, sprich Einbussen beim Arbeitslosengeld. Aber wie sonst sollen die Stellen es kontrollieren, dass der Bittsteller auch wirklich Arbeit sucht. Es ist eine verzwickte Situation.

Mein Sachbearbeiter hat eine Duftkerze auf dem Pult. Er benutzt sie nur, wenn ein Gegenüber aggressiv ankommt. Keiner kann mit dem Druck der (drohenden) Arbeitslosigkeit locker umgehen. Oft ist dann der Sachbearbeiter mit seinen Forderungen das Ventil. Meiner sieht die grösste Chance für mich, wenn ich mich in einer Firma mittels Praktikum beweisen könnte. Sobald mich die Arbeitslosenkasse als Bedürftige akzeptiert hat, hilft er.


Momo Appenzeller,
18.7.2016, 115. Jahrgang, Nr. 200.

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