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«Wandzeitung» vom 6.7.2016:

Für eine menschliche Flüchtlingspolitik:

Farbe bekennen.

Ich trage seit einigen Wochen dieses türkisfarbene Stoffbändchen am Handgelenk. «Farbe bekennen» steht darauf. «Farbe bekennen» ist eine Aktion vom HEKS (Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz). Es geht darum, sich zu einer menschlichen Flüchtlingspolitik zu bekennen.

In einem Land mit einer grossen humanitären Tradition sollte das ja eigentlich selbstverständlich sein. Trotzdem scheinen solche Zeichen dringend nötig, denn mit der Selbstverständlichkeit ist es leider nicht so weit her.

Zur Zeit sind weltweit etwa 60 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Gewalt. Die meisten davon im eigenen Land oder in einem Nachbarland. Nur ein ganz kleiner Teil der Flüchtlinge gelangt nach Europa oder gar in die Schweiz.

In Syrien zum Beispiel, wo seit 2011 ein bewaffneter Konflikt herrscht, spielt sich eine humanitäre Katastrophe ab. Fünf Millionen Syrerinnen und Syrer haben ihr Land verlassen. Viele befinden sich in Nachbarstaaten: Türkei, Libanon, Jordanien, Irak. Und einige wagen den Weg nach Europa. Sie nehmen gefährliche Reiserouten auf sich, in der Hoffnung, hier Sicherheit und eine neue Existenz zu finden. Niemand flüchtet freiwillig! Für Menschen, die ihre Heimat unter solchen Umständen verlassen, ist die Flucht die letzte Möglichkeit, sich und ihre Familie zu schützen.

Wenn ich Geschichten vom Schicksal von Flüchtlingen höre, wenn ich in der Zeitung von Bootskatastrophen auf dem Mittelmeer lese, wenn ich in der Tagesschau Bilder sehe von Kindern, die in überfüllten Flüchtlingscamps ihre Tage verbringen und nicht wissen, wie es weitergehen soll, dann macht mich das betroffen, traurig und hilflos. Die Konfrontation mit dieser menschlichen Tragödie ist schwierig. Aber ich bin froh, dass ich in der Lage bin, dieses Mitgefühl zu empfinden. Auf keinen Fall will ich wegschauen und abstumpfen!

Umso mehr erschrecke ich, wenn ich in Zeitungsforen und sozialen Medien die unmenschlichen Hasskommentare lese, welche Aktionen wie «Farbe bekennen» auslösen. Flüchtlinge werden hemmungslos beschimpft und als Schmarotzer dargestellt. Es wird gar zu Gewalt gegen sie und gegen Leute, die sich mit ihnen solidarisieren, aufgerufen. Wortwahl und Tonalität erinnern an die dunkelsten, braunsten Zeiten der Europäischen Geschichte.

Nicht nur einzelne frustrierte Bürgerinnen und Bürger bedienen sich respektloser Rhetorik, wenn es darum geht, Flüchtlinge und Leute, die sich für einen anständigen Umgang mit Menschen in Not einsetzen, zu verunglimpfen. An vorderster Front mit dabei ist unter anderen Andreas Glarner, der Asylexperte der SVP. Seine Äusserungen über Asylbewerberinnen und Asylbewerber, aber auch über Leute, die es wagen, ihn zu hinterfragen, lassen an Geschmacklosigkeit nichts zu wünschen übrig.

Leider gelingt es mir nicht, Herrn Glarner einfach zu ignorieren, was vielleicht angebracht wäre. Immerhin ist er Exponent der grössten Partei unseres Landes, und innerhalb dieser Partei Sprachrohr für eines der zentralsten und aktuellsten Themen der Gegenwart.

«Farbe bekennen» müssen wir darum unbedingt auch gegenüber solchen politischen Entwicklungen!


Christa Meier,
6.7.2016, 115. Jahrgang, Nr. 188.

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