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«Wandzeitung» vom 25.3.2016:

EIN SATZ:

Peter! Hallo!

Wer in ein Geschäft einsteigt, ist für den Erkenntnisfortschritt verloren. PETER CERWENKA

Der Autor dieses Satzes ist ein grosser Schreiber. Ich lasse mir seine Aphorismen auf der Zunge zergehen wie ein Praliné. Zum Beispiel: «Politik ist ein mit Interessen vermintes Gelände», «Wir tun, was wir können: das ist ja das Schreckliche» oder «Nur wenige Berufstätige fühlen sich heute den Strapazen der Musse gewachsen». Sie schreien danach, für meine Kolumne missbraucht zu werden.

Peter Cerwenka ist Verkehrswissenschafter im Ruhestand. Er hat sich mit den Tiefen von U-Bahn-Schächten und der unendlichen Leichtigkeit von Schwebebahnen auseinandergesetzt. Die Titel seiner wissenschaftlichen Arbeiten wie «unfrisierte Erinnerungen an Expeditionen in Labyrinthe der Planung» streicheln unser Gemüt ebenso wie seine philosophischen Erhellungen. Diese zieren bereits Generationen von Kalenderblättern. Ja, es gibt sie noch die Abreisskalender, die keine Abrisskalender sind.

Der Verlust des Erkenntnisfortschritts ist dort nicht so schlimm, wo die Erkenntnis bereits relativ weit gediehen ist. Häufiger befindet sie sich allerdings noch im Stadium, als zartes Pflänzchen an die Hirndecke zu stossen. Oder ist, ohne Anstoss an der Schädeldecke zu nehmen, kurz nach der Keimung ohne fruchtbare Zwischenstufe zu einem undurchdringlichen Gehölz aus Halbwahrheiten und Vorurteilen verholzt.

Seit der Erfindung horizontaler – erstgenannt, weil das älteste – und vertikaler Gewerbe entwickelt sich in der Tat ein Geschäftsgebaren, bezüglich dessen selten Trostreiches festgestellt werden kann. Dröges Marketinggeschwurbel und dreiste Aufnötigungsversuche ebenso überteuerter wie unnötiger Waren und Dienstleistungen zehren an unserem Nervenkorsett.

Das wird Cerwenka durch den Kopf gegangen sein, als er seinen Aphorismus schrieb. Zugegeben: Die Krämer sind öde, ätzend und lästig. Aber alles andere als erkenntnisbehindernd. Einerseits ist unsere höchste Kreativität gefragt, unseren letzten Funken Empfindsamkeit gegen das omnipräsente Werbetrommeln zu schützen. Und das Sternchen im Telefonbuch zu verteidigen wie unsere Vorfahren – wir viel zu wenig – die Errungenschaften der Französischen Revolution. Anderseits finden die Geschäftemacher immer neue Wege, unsere Nerven zu strapazieren, auch dies ein höchst kreativer Erkenntnisprozess.

Cerwenka war erfolgreicher Inhaber eines Lehrstuhls einer österreichischen Universität. Also nicht einfach Professor wie bei uns jeder nicht mehr debutierende Fachhochschuldozent oder Mittelschullehrer. Sondern Universitätsprofessor, garniert mit einer Vielzahl von Magister- und Doktortiteln. Und so einer ist natürlich auch ein Geschäftsmann, er ist ins Geschäft mit der Forschung und Lehre und den nach der Abschaffung des Adels noch verbliebenen Titeln eingestiegen. Und gerade Cerwenka hat seine Bücher auf Absatz getrimmt. Erkenntnisfortschritt dadurch sowohl bei ihm als auch bei seinen Lesern. Er kreiert die Ideen und wir konsumieren sie, ein Geschäft, ein gutes.

Also irrt Cerwenka, wenn er bei seinem Aphorismus nur die Krämerseele im Auge hat: Peter! Hallo!

 


Adrian Ramsauer,
25.3.2016, 115. Jahrgang, Nr. 85.

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