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«Wandzeitung» vom 9.8.2016:

EIN SATZ:

Zünden und Knallen.

Ich mag keinem Club angehören, der mich als Mitglied aufnimmt. GROUCHO MARX

Gehör und Nerven haben sich vom Feuerwerk von vor einer Woche mittlerweile erholt. Die Feinstaubpartikel sind ausgehustet, soweit sie sich nicht in den Lungenbläschen festgesetzt haben. Über die Reden hat sich der wohltuende Mantel des Schweigens gebreitet, der sich besser schon vor der Ansprache über die Veranstaltung und vor allem über den Redner gelegt hätte. Aber das sind fromme Wünsche. Und die haben höchstens in einem Zukunftsworkshop Platz, wo sie Visionen heissen und zerredet werden, nicht aber in knallharten Kolumnen.

Wir nähern uns dem Thema. Das Teilhabenlassen anderer an eigenen Emotionen geschieht nicht immer, aber immer öfter über Lautäusserungen. Sei es per Druck auf die Hupe beim Ende eines Fussballspiels. Oder per Abbrennen von Feuerwerk anlässlich des Nationalfeiertags, der 1891 kurz nach Entdeckung der Geschäftsidee Kompensation der Sommerflaute durch Feuerwerksverkauf eingeführt wurde.

Dabei geht es um Feuerwerk mit einer zusätzlichen Funktion. Nicht nur zu illuminieren, was im besseren Fall schön anzusehen und im schlechteren Lichtverschmutzung darstellt, sondern auch zu knallen.

Dem Körper eines Menschen dient zum Lärmen der Mund oder die Hand an einer Hupe oder dergleichen, dem Feuerwerkskörper das Zerplatzen unter lautem Knall. Letzteres ist lebenden Knallkörpern bedauerlicherweise nicht vergönnt, was einer nachhaltigen Lösung dieses Problems entgegensteht. Die Vision des Zerplatzens von Personen, die ihr Gegenüber mit inhaltsleeren oder überlauten Darbietungen kontaminieren, ist eine der wenigen, die nicht in einen Zukunftsworkshop verbannt, sondern schleunigst umgesetzt gehören.

Entgegen der früher in dieser Kolumne vertretenen Ansicht handelt es sich bei der Aussage, beim Lärmen andere an der eigenen Freude teilhaben zu lassen, um eine blosse Scheinbegründung. So fahren auch die Fans des Verliererteams eines Matchs hupend durch die Gegend. Und auch an Trauerfeiern wurden schon Salven verböllert.

Die Notwehr einer Reaktion bei der Bundesfeier auf eine Rede, die besser nie gehalten worden wäre, in Form von Zünden und Knallen, ist verständlich. Beruhigen könnte uns der Umstand, dass es offenbar immer schwieriger wird, Erstaugustredner zu finden. Doch die Öde des postmodernen Alltags in den sozialen Netzwerken hat die Wirkung einer patriotischen Daueransprache, ohne dass am Nationalfeiertag noch geredet werden muss.

Für uns alle, die der Subprominenz einer unteren Bekanntheits- oder Beliebtheitsliga angehören, und noch nie angefragt wurden, beunruhigend ist die akute Gefahr, angesichts des Rednermangels für eine der nächsten Bundesfeiern aufgeboten zu werden.

Mir bliebe mit Groucho Marx nur, mich ausbürgern zu lassen. Und vorher noch kräftig zu feuerwerken.


Adrian Ramsauer,
9.8.2016, 115. Jahrgang, Nr. 222.

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Standpunkte:

27.9.2016, 14:47 Uhr.

Haymo Empl schrieb:

Warum schreibt kein Mensch etwas zu diesem knalligen Beitrag? Ich lache eher selten, und dann eher leise. Diesmal lachte ich laut und meine Frau fragte: «Was ist los?» – «Der Ramsauer, den musst du lesen!»


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