Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 25.9.2016:

EIN SATZ:

Wildwechsel.

Sagte der, der roch, zu dem der stank, ich geh jetzt auf eine andre Bank. FREDL FESL

Die Nerven der Mitte liegen blank. Verständlicherweise. Es dreht sich zwar alles um sie, doch wer schaut auf die Achse, wenn er ein Rad betrachtet. Felge und Reifen stehen zwar nicht im Mittelpunkt des Rades, doch in jenem des Interesses. Vor allem in einer Welt der Sensationen, in der das Mass abhandengekommen ist. Und mit ihm das Augenmass. Da geht die Nabe im Glanz der Felgen und Stahlgürtelreifen unter.

In der Mitte placken, bringt keine Lorbeeren. Was tun? Sie nach aussen kehren? Bei einem Rad unmöglich, das fängt an zu eiern. In der Politik verhält sich das ähnlich. Der Karren ist nur schwer auf ein anderes Geleise zu bringen und quietscht dabei abscheulich. Bleibt, die Mitte zu verlassen und sich an den Rand zu begeben. Beim Rad undenkbar. Beim Rat dagegen schon. In der kleinen, beinahe grossen Stadt, die wir alle gut kennen, ist es just passiert. Und füllt Leserbriefspalten.

Getreu dem einleitenden Satz wird dort versucht, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, sprich die eine Ideologie mit der andern. Dabei wird munter die Keule der Ideologieverblendung geschwungen. Kulminierend in der verbreiteten Fiktion, dass die Mitte ideologiefrei sei, im konkreten Beispiel der katholischen Soziallehre verpflichtet, die ihre Grundlage in einer möglichst freiheitlichen Gesellschaft und Wirtschaft habe. Wenn ich auch durch alle Böden die Freiheit verteidige und nicht dem sozialistischen Umverteilungscredo anhänge, das jener Partei unterstellt wird, der ich angehöre, muss ich doch einräumen, dass auch die Idee möglichster Freiheit nichts anderes als eine Ideologie darstellt, eine Weltanschauung nämlich. Und Freiheit bedeutet auch die freie Wahl der Weltanschauung. Man ist nicht ideologieverblendet, nur weil man diese Wahl nicht im Sinne des Leserbriefverfassers getroffen hat. Nebenbei: Den Grünen Sozialismus zu unterstellen, ist zur Zeit besonders beliebt, da einigen das per Initiative geplante Wirtschaftsprogramm nicht passt, obschon es per se keine unfreiheitlichen Züge trägt. Bis anhin ist es mir selten gelungen, den Katholizismus mit einer freiheitlichen Weltanschauung zu assoziieren. Und angesichts der Verbindung der katholischen Soziallehre mit dem päpstlichen Lehramt und damit Stellvertretungsanspruch Jesu auf Erden noch weniger. Aber man lernt nie aus. Und ich billige der katholischen Soziallehre, die, wie ihr Name sagt, Lehre und nicht Realität ist, guten Willen durchaus zu.

Das ist aber alles nicht der Grund, dass die Ratten das sinkende Schiff verlassen. Weder beim katholischen Kirchenschiff noch bei der CVP. Es ist der Ratten gutes Recht. Unter der Voraussetzung, dass sie davon ausgehen, dass das Schiff sinkt. Die Wahrnehmung, ob es sinkt oder nicht, ist allerdings auch von der Weltanschauung geprägt. Und noch mehr die Wertung, was für die Ratten nützlicher ist: zu bleiben oder zu gehen.

Nicht das gute Recht ist es allerdings, Segel, Takelage, die Kapitänsmütze und auch noch den Schiffszwieback mitzunehmen.


Adrian Ramsauer,
25.9.2016, 115. Jahrgang, Nr. 269.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.