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«Wandzeitung» vom 9.11.2016:

EIN SATZ:

Zielkonflikt.

«Die Ziele sind bestürzt über jene, die sie erreichen.» H.U.BÄNZIGER.

Trotz intensiver und ermüdender Recherchen habe ich nicht mit letzter Sicherheit herausfinden können, ob es sich beim Urheber des Bonmots der heutigen Wandkolumne um den Schriftsteller oder um den Banker H.U.Bänziger handelt. Nachdem viel geschrieben wird, was unsicher ist, darf ich das natürlich auch. Nur dass ich offen dazu stehe, während andere im Fall ungesicherter Erkenntnis offenbar das Adverb «offenbar» verwenden, wie Peter Kloeppel, Chefredaktor eines ehemaligen Tittensenders kürzlich in der NZZ monierte. Offenbar ein Schuss vor den Bug seiner eigenen Leute. So sie denn überhaupt deklarieren, dass ihre Faktenbasis im Gegensatz zum Brustimplantat dünn ist. Wenn auf wen geschossen werden soll, was bei den Gratisblättern mit Bezahlabo fast im Wochenrhythmus der Fall ist, ersetzt das Fragezeichen hinter einer disqualifizierenden Unterstellung die Unsicherheitsdeklaration: Mörder? Schänder? Nachtruhestörer? Spannender wäre es ja auf den ersten Blick, wenn der Banker und nicht der Schriftsteller der Urheber wäre. Er hat im Gegensatz zu ihm Quartalsziele definiert, die nicht erreicht wurden oder dann von jenen unangenehmen Angestellten, denen es nicht zuzutrauen war. Auch hat er mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit Myriaden von Leuten nur angestellt, weil sie in sogenannte Zertifikatslehrgängen vorgegebene Ziele erreicht hatten (in Vor-Bologna-Zeiten als Streber bezeichnet) oder sie während des Anstellungsverhältnisses in zertifizierte Weiterbildungen genötigt.

Er hat zweifelsohne von jenen, die man in der täglichen Praxis nicht brauchen kann, Chartas, Richtlinien und Merkblätter erlassen lassen, in denen Ziele vorgegeben wurden, die zu erreichen sich nicht einmal die Ziele träumen liessen. Auch hat er als ehemaliger Kader einer deutschen und Teilhaber einer Schweizer Bank unstreitig Karriereziele, womöglich ein einziges, grosses Lebensziel – Reichtum, Macht, Mercedes Benz – gesetzt, während unsereiner auf der Terrasse chillte, ziellos seine Wampe und Lampe füllte und nichts mit seinem Leben anzufangen wusste, anstatt wie er Tag und Nacht für die Erreichung eines Ziels zu malochen.

Dass dieser Banker auf die Idee gekommen wäre, dass die Ziele über ihn bestürzt sein könnten, wäre witzig. Aber nur auf den ersten Blick. Auch der Schriftsteller hat sich nämlich Ziele gesetzt, war publizistisch erfolgreich, auflagenstark und wurde wohlwollend – wie heute fast alle Schreiber, Bob Dylan inklusive – rezensiert. Aus der Sicht der Ziele hat er folglich buchstäblich einen Schmarren zusammengeschrieben. Wir können der Bestürzung der Ziele nicht entrinnen. Auch dann nicht, wenn wir die Ziellosigkeit als Ziel setzen Es sei denn, wir erreichen es nicht.


Adrian Ramsauer,
9.11.2016, 115. Jahrgang, Nr. 314.

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