Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 8.2.2016:

«I have enough banana, I don’t need so much.»

Sexismus.

Die H‘mong sind ein indigenes Volk in Südostasien. Die Frauen verkaufen im Touristenstädtchen Sapa-Schmuck, Stickereien und Trekking-Tours. Das Besondere an diesen Frauen ist, dass sie einem auf Augenhöhe begegnen. Normalerweise prägt das sozioökonomische Gefälle die Begegnungen zwischen Touristen und Eingeborenen. Die modernen, wohlhabenden Touristen sind naturgemäss interessiert an den traditionellen, mittellosen Eingeborenen. Doch dieses Interesse ist immer auch ein wenig gönnerhaft und voyeuristisch. Wir schauen und fragen und wollen Fotos schiessen. Damit machen wir die anderen zum exotischen Objekt. Da wir es kaum schaffen, in kürzester Zeit Freundschaft mit diesen Menschen zu schliessen und umgekehrt von ihnen auch als Geschäft angesehen werden, bleibt die Distanz gross.

Nicht so hier im vietnamesischen Sapa. Die H‘mong-Frauen sprechen fliessend Englisch und haben die seltene Gabe, einen in unterhaltsame Alltagsgespräche zu verwickeln. Selbstverständlich mit dem Ziel, etwas zu verkaufen, doch die Begegnung rückt ins Zentrum und das Geschäft in den Hintergrund. Nicht nur die Sprachgewandtheit der Frauen, die oft Analphabetinnen sind, jedoch Vietnamesisch, H‘mong, Englisch und ein paar Brocken Französisch, Deutsch und Spanisch sprechen, ist auffällig. Sie sind überdurchschnittlich schlagfertig, witzig und klug. Schüchternheit ist ihnen fremd. Sho, die uns und drei französische Partyjungs auf der zweitägigen Trekkingtour begleitete, erzählte uns, dass die Männer zu Hause auf die Tiere und die Kinder aufpassen. Der Job der Frauen ist es, nebst kochen, waschen und sticken, die Touristen rumzuführen. Auf die Frage, warum diese relativ neue Aufgabe, denn das Geschäft mit den Trekkingtouren besteht erst seit wenigen Jahren, den Frauen zufalle, antwortete Sho, die Männer könnten kein Englisch. Hahaha. Als ob den Frauen das Englisch einfach in den Schoss gefallen wäre. Sie mussten es natürlich auch erst lernen.

Die Partyjungs waren hauptsächlich an Alkohol und Mädchen interessiert, und einer fragte Sho, wie es damit in ihrem Dorf aussehe. Sho sagte, sie hätte eine ledige Cousine, aber wenn er sie wolle, müsse er für immer im Dorf bleiben und 50 Kilogramm Reissäcke auf dem Rücken tragen und sie glaube nicht, dass er das schaffe. Später trafen wir auf eine andere Gruppe von Touristen und Shos Freundinnen. Eine ältere Frau fing an, mit einem der Partyjungs zu flirten, wobei man das Geplänkel bei uns wohl eher als verbale sexuelle Belästigung bezeichnen würde. Ich weiss nicht, wer von den beiden angefangen hatte, aber auf einmal ging es um seine «Banane». Jawohl. Sie sagte, er solle ihr seine Banane zeigen. Er sagte, er zeige sie später. Sie sagte, später sei seine Banane faul und lahm. Sho sagte, sie habe genug Bananen zu Hause und brauche nicht so viel. Der Schlagabtausch war in dieser Direktheit ein wenig verstörend, aber auch faszinierend. Danach nannte Sho den Jungen nur noch Banana Guy.

Später tranken uns die Frauen bei Sho zu Hause unter den Tisch. Happy Water nannten sie den Reiswein, der aus kleinen Schnapsgläsern getrunken wurde. Immer wieder klopfte jemand einen Bananenspruch und alle lachten und ich auch. Ist das daneben?

 


Anita Blumer,
8.2.2016, 115. Jahrgang, Nr. 39.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.