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«Wandzeitung» vom 8.5.2016:

Moderne Sklaverei:

iPad für Kinder?

Als ich meine 9-jährige Nichte letztes Jahr fragte, was sie sich zu Weihnachten wünsche, sagte sie: nichts. Vielleicht hat sie dem Materialismus abgeschworen und wünscht sich stattdessen Weltfrieden, ging es mir durch den Kopf.

Doch dem war nicht so. Sie wünschte sich eigentlich ein iPad, doch ihre Eltern fanden, sie sei zu jung und verboten allen Verwandten, ihr ein solches Gerät zu schenken. Wenn sie kein iPad haben könne, wolle sie gar nichts, meinte sie daraufhin. Es handelte sich also um einen friedlichen Protest. Ich sagte, es sei doch besser, draussen zu spielen, als mit einem iPad. Sie sagte, dass sie ja immer noch draussen spielen könne, dass all ihre Klassenkameraden ein Tablet, ein Smartphone oder einen Laptop hätten, und dass es üblich sei, eine zeitliche Regelung, etwa 30 Minuten pro Tag, zu vereinbaren.

Ich kam mir ein wenig heuchlerisch vor, weil ich meiner Nichte meine ideologisch verfärbte Meinung (Smartphones und Tablets sind schlecht für uns Menschen und besonders für Kinder) verkaufte, während ich erstens selbst ein Smartphone besass und zweitens keine wissenschaftlich fundierten Argumente hatte.

Falls Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden, und Ihr Kind ebenso argumentierfreudig ist wie meine Nichte, können Sie ihm vielleicht von der Herstellung von elektronischen Geräten erzählen. Diese enthalten Metalle, wie Gold, Zinn, Wolfram und Tantal, deren Abbau mindestens mit grossen Umweltzerstörungen und gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen verbunden ist. Denn für den Bau und den Betrieb von Minen müssen Wälder gerodet und viele Tonnen Gestein gesprengt werden. Und um die Metalle aus dem Gestein zu lösen, werden giftige Chemikalien verwendet. Im schlimmeren Fall, wie etwa im Osten des Kongos, dem grössten Fördergebiet dieser Metallrohstoffe werden zusätzlich Menschen versklavt und zur Arbeit in den Minen gezwungen. Bewaffnete Milizen kontrollieren dort den Rohstoffabbau und halten sich mit den Gewinnen an der Macht. Der Kongo hat eine lange Geschichte der Unterdrückung durch fremde Mächte. Dabei spielten die natürlichen Ressourcen des Landes eine entscheidende Rolle. Am Anfang war es der lukrative Handel mit den Sklaven, dann mit dem Kautschuk und gegenwärtig ist es der Raubbau an Edelmetallen, welcher den Bürgerkrieg in der Region anheizt. Doch die Rohstoffgewinnung ist nur der erste Schritt in der Herstellung von unseren smarten Tablets und Handys. In den chinesischen Produktionsstätten der elektronischen Geräte springen Arbeiter dem Vernehmen nach von den Dächern, weil die Bedingungen dermassen prekär sind. Der Kreis schliesst sich, wenn wir Konsumenten, unsere Geräte nach zwei, drei Jahren ersetzen. Dann landen diese als Elektromüll wieder in Afrika. Zwei Drittel der weltweit 50 Millionen Tonnen Elektroschrott jährlich werden in Drittweltländer exportiert. Dort durchsuchen Kinder die meterhohen, giftigen Müllhalden nach verwertbaren Rohstoffen.

Nachdem Sie Ihrem Kind diese Schauergeschichte zugemutet haben, will es vielleicht kein Smartphone mehr. Allerdings wird es Sie vermutlich fragen: «Warum hast Du dann eines?»


Anita Blumer,
8.5.2016, 115. Jahrgang, Nr. 129.

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