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«Wandzeitung» vom 14.11.2016:

Morgen geht’s weiter nach Cap Skirring:

Immer wieder Senegal.

Ich bin mit meinem Schatz während eines Monats in Senegal. Wir geniessen die afrikanische Sonne, die ausgeglichenen Gemüter der Landsleute und deren bescheidenes Leben. Unsere Reise beginnt in Dakar. Die Hauptstadt ist trocken und heiss, voller Taxis und sie schmeckt bis tief in die Bronchien nach Smog. Die Menschen hier leben einen fast 24 Stunden dauernden Wachzyklus; es kann immer eingekauft werden und im Restaurant gegessen werden. Ich bin schon um 22 Uhr im Bett, groggy von der Reise und der Erkältung. Mein Schatz aber der wacht bis 2 Uhr morgens. In Dakar verteilen wir unsere Souvenirs an die Bekannten, besorgen für uns wundervolle Stoffe aus reiner Baumwolle und Karitébutter für die Herstellung von Naturkosmetik, lassen uns vom Schneider ausmessen und beschreiben unsere Vorstellung von Gewändern für das bevorstehende religiöse Zeremoniell. Das Essen erhalten wir von der Nachbarin, die gerne für uns da ist, wenn wir etwas brauchen: «Nous sommes tous femmes, n’est pas?». Vier Stunden hat sie fürs Essen aufgewendet, es schmeckt vorzüglich. Abends sind wir bei einer Tante, welche uns schon auf den Markt begleitete, weil sie gut handelt und die heimischen Preise kennt. Morgen geht’s mit dem Flieger nach Ziguinchor zu meiner Schwiegerfamilie. Ich liebe diese Leute, obwohl ich mich nur mangelhaft mit ihr unterhalten kann. So bleibt es bei den Ritualen mit den Älteren, die mich beim Abfragen meiner Dialektsprache-Kenntnisse zur allgemeinen Belustigung tadeln, weil ich das Gesagte langsam verstehen und auch antworten können sollte. Worauf mein Göttergatte allemal milde insistiert, dass ich erst zum dritten Mal im Lande sei und zu Hause wieder meine eigene Sprache spreche. Alle lachen herzhaft. Ich registriere die Verabschiedung mit der linken Hand, was ein erhofftes Wiedersehen bedeutet und die gütigen Blicke. Der Tod eines Familienmitgliedes schafft eine besondere Situation. Vorbereitungen für das Abschiedsritual werden getroffen, 40 Tage nach seinem Ableben. Viele Menschen werden erwartet. Es treffen täglich Leute ein, welche kondolieren und Trost spenden, den Verstorbenen loben, ehren und ihm für seine Seele Ruhe wie Frieden wünschen. Viele Leute bringen den Hinterbliebenen Essen, damit für sie Zeit zum Trauern und Abschied nehmen bleibt. Eine würdevolle Stimmung ist im Haus. Gestern mussten wir Euro in CFA wechseln und gingen zur Nationalbank. Wir wurden streng kontrolliert, gescannt, mussten unsere Pässe zeigen, damit wir eingelassen wurden. Ich wurde sofort von «mon Amour» getrennt, und er verschwand nach nochmaliger Kontrolle hinter einer Türe und tauchte eindreiviertel Stunde später wieder auf. Der Securitas erkundigte sich immer wieder freundlich nach meinem Befinden und seine Mitarbeiter winkten mir durch die Glasscheibe zu. Nach einer Stunde kam ein Abgesandter und betonte, dass es meinem Mann gut gehe und sie noch etwas Zeit brauchten und er fragte, wie es mir gehe. Irgendwann erschien mein Pendant mit unendlich vielen frisch gedruckten Scheinen. Voilà. Einen halben Tag später, als wir eben für eine kurze Pause ins Hotel zurückkehrten, wollte uns ein Herr der Nationalbank dringend sprechen. Er hatte uns hundertfünfzig Franken zu viel gegeben, und musste die freilich zurückbekommen. Morgen geht’s weiter nach Cap Skirring.


Lilian Setenou,
14.11.2016, 115. Jahrgang, Nr. 319.

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