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«Wandzeitung» vom 14.12.2016:

Hupen zum Gruss:

Wie in Mutters Schoss geborgen.

Zurück in der Schweiz, nach nur einer Woche, bin ich schon wieder so überlastet mit Arbeit, dass ich gerne wieder nach Senegal reisen würde, um nochmals eine Auszeit zu geniessen. Ich will das Land nicht verherrlichen, in der Hauptstadt ist die Luftverschmutzung enorm, es ist heiss und wimmelt von Plastikabfall, welcher wie faulige Früchte an den Bäumen hängt und die Felder bedeckt. Die Strassen sind voller wild durcheinander fahrenden gelb-schwarzen Vehikeln, welche nicht selten auch Teile beim Fahren verlieren (es ist erstaunlich wie wenig Carrosserie ein Auto braucht um zu funktionieren), gehupt wird sehr häufig, aber freundlich oder zum gegenseitigen Gruss.

Die Menschen die ich kennengelernt habe, sind einfach meine Leute. Ich kann nicht beschreiben, wie sehr sie mir alle ans Herz gewachsen sind. Jeder und jede ist das, was er oder sie ist, ohne von anderen beurteilt oder verurteilt zu werden. Ob man laut oder angeberisch ist, müffelt oder viel redet, jedem wird Respekt gezollt und jedem wird zugehört. Alle sind Teil des Ganzen. Im Quartier wird in einem Haus Hip-Hop gehört, im anderen gebetet, auf einigen Plätzen feiern die Jungen mit lauter Musik bis in alle Nacht, Christen wohnen neben und mit Muslimen, wenn das Gas fürs Kochen ausgeht, hilft der Nachbar aus und beim nächsten Mal teilt jener seinen Reis.

Der Greisin, welche um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, immer noch frisch geröstete Erdnüsse feilbietet (die sind übrigens weich und schmecken etwas nach Kartoffeln), kauft jeder der ihr begegnet für 500 CFA, 82 Rappen, ein Gläschen voll ab. Überall wird zum probieren der Platte mit Ceebu Jen oder Soupoukandja eingeladen, überall stehen die Türen im wörtlichen Sinn offen.

Die Kinder sind bei allen Tätigkeiten der Erwachsenen dabei, sie gehören zu allen und deshalb fühlen sich auch alle für sie zuständig. Irgendwer trägt die Kleinste immer auf dem Rücken, gibt den Kindern Leckereien wie Früchte oder Bisquits oder Milchpulver zum Schlecken und hält ein Kind an der Hand.

Es ist die Akzeptanz der Vielfältigkeit der Menschen, der Respekt gegenüber Seinesgleichen, das Zusammenleben von Alt und Jung, Mann und Frau, Krank und Gesund, Behindert und Nichtbehindert, die Menschlichkeit, die mich so wahrhaftig dünkt und das Lebenstüchtige der Menschen mit einer so geringen, oftmals schlechten und gesundheitsschädlichen Infrastruktur, welche mir so imponiert. Bei jedem meiner Besuche hatte ich den Eindruck, als könnte man mich in dunkelster Nacht auf abgelegenster Strasse aussetzen und mir würde jedermann-frau helfen, meinen Weg nach Hause wieder zu finden.

Zu Hause also, in der Schweiz, wurde alsdann auch von überall her gehupt, als ich mit dem Fahrrad meine Dienste wieder aufgenommen habe, jedoch nicht um mich zu begrüssen.

 


Lilian Setenou,
14.12.2016, 115. Jahrgang, Nr. 349.

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