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«Wandzeitung» vom 16.10.2016:

Kinderbetreuung:

Den Teufelskreis durchbrechen.

Das neue Scheidungsrecht, an dem das eidgenössische Parlament mehrere Jahre lang gearbeitet hat, beinhaltet für alle politischen Interessengruppen etwas. So beispielsweise das gemeinsame Sorgerecht als Regelfall, das die Väterlobby schon lange wollten. Der Bereuungsunterhalt für ledige Alleinerziehende (eine Entschädigung für die Kinderbetreuung) war hingegen ein Anliegen der Mütter-Vertreter. Eine weitere Änderung ist, dass die Gerichte künftig die alternierende Obhut auf Antrag in jedem Fall prüfen müssen. Die Väterlobby, die den Absatz gemeinsam mit den FDP-Frauen im Parlament mehrheitsfähig gemacht hat, setzt darin grosse Hoffnungen. Denn heute beschränkt sich die Rolle vieler Väter nach der Trennung aufs Besuchen und Zahlen.

Bei der alternierenden Obhut hingegen betreuen Vater und Mutter das Kind abwechselnd. Mit diesem Absatz im neuen Unterhaltsrecht manifestiert das Parlament seinen Willen, dass die alternierende Obhut gefördert werden soll. Die Hoffnung der Väter ist es, dass die Gerichte danach handeln. Obwohl das Modell der alternierenden Obhut der feministischen Linken eigentlich entsprechen müsste, lehnt sie deren Förderung grösstenteils ab. Der Grund: Die Verteilung der Haus- und Betreuungsarbeit ist während der Beziehung unausgeglichen, Mütter machen viel zu Hause, Väter wenig. Väter sind häufiger und zu höheren Pensen erwerbstätig als Mütter. Die von den meisten Ex-Paaren praktizierte und in Streitfällen von den Gerichten verfügte alleinige Obhut sei deshalb nur ein Abbild der Gesellschaft. Wenn sich das ändert, so die Idee, würden Trennungsväter automatisch öfters die Kinder mitbetreuen.

Ich glaube allerdings: Das heutige System ist ein Teufelskreis. Die Gerichte schützen die Mütter im Scheidungsfall vor Erwerbsarbeit. Das führt dazu, dass schon während der Beziehung der Anreiz zur egalitären Aufgabenverteilung klein ist. Gemäss geltender Rechtsprechung kann einer alleinerziehenden Mutter eine Teilzeitarbeit erst zugemutet werden, wenn das jüngste Kind 10 Jahre, eine Vollzeitstelle erst dann, wenn es 16 Jahre alt ist. Diese Praxis stammt aus einer Zeit, als Krippen noch Orte der Verwahrlosung waren, als Mütter nach der Geburt jahrelang zuhause blieben.

Diese Rechtsprechung ist fatal, weil sie die traditionelle Rollenverteilung zementiert. Mag sein, dass manche Väter es gern sehen, wenn ihre Frau zuhause bleibt. Manchmal ist es auch die Mutter, die sich aus dem Beruf zurückziehen will, wenn Kinder da sind. Wie auch immer – würde das Gesetz vorschreiben, dass Vater und Mutter nach der Trennung zu gleichen Teilen für Unterhalt und Betreuung des Kindes sorgen, wäre das ein Anreiz für beide, in allen Bereichen konkurrenzfähig zu bleiben.

Natürlich ginge das nicht von heute auf morgen. Es ist nicht in allen Branchen einfach, die passende Teilzeitstelle zu finden. Und vielleicht müsste der Staat bei der familienexternen Kinderbetreuung einen weiteren Effort machen, sie verbessern und günstiger machen. Doch irgendwann wird sich durchgesetzt haben, dass Väter und Mütter die Kinder gemeinsam betreuen. Der Teufelskreis muss durchbrochen werden.


Claudia Blumer,
16.10.2016, 115. Jahrgang, Nr. 290.

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