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«Wandzeitung» vom 5.1.2016:

Es gibt immer noch zu viele grosse Karls:

Religionskriege sind abscheulich.

Religionskriege sind abscheulich. Da sind sich wahrscheinlich die meisten Menschen einig. Bis auf einige Ausnahmen. Davon gibt es viele. Ich halte es lieber mit Lessing, der die Toleranz lehrte. Doch gehen wir zurück zur Barbarei. Immer wo der Monotheismus auftaucht, gibt es einige «Gäuggel», die Religion als eine intellektuelle Wahrheit pachten und damit wahrlich keine Intelligenz erzeugen. Wenn ich’s auch nicht so sehr mit den Römern halte, so muss ich doch anerkennen, dass ihre vielen Götter eine Vielseitigkeit der Kulturen zuliessen. Selbst Eroberer zollten ein gewisses Mass an religiösem Respekt. Anders verhielten sich unsere christlichen Kirchenväter in den ersten Jahrhunderten ihrer Existenz. Im engen Gewand ihres Denkens liessen sie im Orient mittels Horden von Mönchen die römischen Kulturtempel und Mosaikbäder schleifen und verboten das Waschen. Die eigene Nacktheit zu waschen galt als Akt der Selbstbefriedigung und widersprach der christlichen Askese. Um der Naturfeindlichkeit den Stempel aufzusetzen, wurden im ersten Viertel nach unserer Zeitrechnung die heiligen Haine im Orient entblösst und alte Wälder zerstört. Vielleicht zimmerten die Christen aus dem Holz wenigstens erbärmliche Kanzeln, die später – wo früher die heiligen Haine lagen – von Kirchen geschützt werden sollten.

Im Abendland war es dann Karl der Grosse, der im neunten Jahrhundert als weltlicher Kaiser die christlichen Werte Europas zum Klingen brachte. War bis dahin das irische Christentum in unseren Breiten noch friedlich, griff das christliche Schwert ganz nach dem Gusto des Heiligen Stuhls auch hierzulande zu. Wohl ein Hinweis auf unsere kulturell kalte Beziehung zu Bäumen? Die heiligen Haine wurden ebenso exkommuniziert wie die Menschen, die ihnen rituelle Gaben darbrachten. Bis heute wird neben Zwinglis Hochburg in Zürich die Erinnerung an eben diesen Karl den Grossen zelebriert. Er darf neben dem Grossmünster für die reformierten Theologiestudenten mit seinem Namen ein eigenes Kaffeehaus betreiben.

Es gibt Thesen, die behaupten, ohne Reformatoren wie Zwingli wäre der römischen Kirche im Mittelalter der Schnauf ausgegangen. Dank der Gegenreformation hätten die Moloche des Papstes Morgenluft geschnuppert und ihre grausigen Hände gegenüber den Abweichlern und Häretikern erneut mit Blut beschmiert. Ich kann dieser These wenig folgen, waren doch die Kreuzritter und Inquisitoren Roms seit jeher blutrünstig und aktiv, und – was die Reformation selber betrifft – die Reformatoren nicht weniger päpstlich als der Papst im Umgang mit Andersdenkenden. Auch Calvin hatte die Wahrheit für sich gepachtet und verfolgte im Namen Christi alles, was sich seinen Bekenntnissen widersetzte. Der Genfer Reformator hielt es mit Strafen und Töten nicht weniger brutal als die Franzosen in der Bartholomäusnacht, wo abertausende ihr Leben liessen, während Zwingli und Luther in Wittenberg sich öffentlich darüber zerstritten, ob mit der Oblate des Abendmahls der Leib Christi fleischlich oder geistig im Laib Brot an die Gläubigen abgegeben werde. Ja, Religionskriege sind und bleiben abscheulich wie eh und je.


Heiner Dübi,
5.1.2016, 115. Jahrgang, Nr. 5.

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