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«Wandzeitung» vom 5.3.2016:

Von Päpsten, Eseln und Gravitation:

Die andere Art der Philosophie.

«Scheiden tut weh», heisst ein Vers im bekannten Frühlingslied. Entscheiden schmerzt oftmals noch mehr. Denn wer meint, eine Entscheidung mit Blick auf die Zeit zu treffen, den holt die Vergangenheit rasch wieder ein. Entscheidungen, die auf Unverständnis stossen und Widerstand auslösen, finden nicht in der Bewegung statt.

Spätestens seit der Aufklärungszeit werden Entscheidungen in Sitzungen getroffen. Die Diskussionen um eben diese Entscheidungen werden in einem zeitlich festgelegten Rahmen und notabene sitzend geführt. Sitzungstermine bildeten auch den Anfang der Agenda. Die Agenda steht sowohl für Zeit als auch für Inhalt und Beschluss, aber nicht für Bewegung. Ein Beispiel: Die Diskussion um Entscheidungen wurde bereits mit dem Konzil der katholischen Kirche in der Scholastik eingeführt. Eine dieser Konzilsitzungen wies dem Papst die Unfehlbarkeit zu. Dieser fatale Entscheid, dem jegliche Vernunft abhanden kommt, bringt heute noch sehr viel Elend über die Welt. Denn auch die moderne Wissenschaft wurde von Rom «inquisitiert» – im Speziellen die Kosmologie. Ausgerechnet jener Mann, der alles für relativ erklärte, setzte im letzten Jahrhundert in einem Sekundenentscheid die Lichtgeschwindigkeit als Konstante ein. Damit erhob Albert Einstein, völlig am Leben vorbei, ähnlich einem Konzilentscheid das Licht zum Papst der Physik. Ohne sich zu bewegen, wollen Christentum wie Wissenschaft stetig entdecken, was ihre Vertreter aufgrund ihrer Sinneswahrnehmung und mit geringem Verstand, doch absolut entschieden haben. Leider fehlt diesen Klerikern wie den Wissenschaftlern der Kosmologie das Gespür, die Intelligenz tatsächlich zu bewegen.

Um zu entscheiden braucht es Atem, Bewegung und Gefühl. So müssen Entscheidungen immer in Beziehung zu anderen Lebewesen sein. Auch Steine atmen, nicht mit einer Lunge oder mit Chlorophyll, doch sind sie ständig in innerer Bewegung und spüren endlose Veränderungen im endlichen Raum der Erde. Wir nehmen diese Bewegungen als tektonische Verschiebungen, Tsunamis oder als speiende Vulkane wahr, die sich wie das Wasser, die Geysire, Ebbe und Flut im Licht der sich täglich verändernden Graviation bewegen und für alles Lebendige mehr oder weniger Widerstand auslösen.

Die Kunst mit Widerständen umzugehen, habe ich bei unseren Eseln gelernt. Wir können ihre Sturheit nicht mit unseren Sinnesorganen und dem Verstand erklären. Es braucht eine gehörige Portion Vernunft, die uns immer wieder den lebendigen Spiegel vorhält, um zu sehen dass Esel nicht stur sind, und für unsere Sichtweisen das Gespür für die Bewegung zwischen Lebewesen entscheidend ist. Also geben wir doch auch unseren Entscheidungen eine Bewegung und lassen wir zu, dass wir Menschen auf der Erde nie bewegungslos sind. Selbst in der Horizontlosigkeit fehlt uns das Absolute, da wir auf der Erdoberfläche immer der Gravitation ausgesetzt sind. Im Kern, also dort wo sich die Gravitation aufhebt und alles ruht, könnten wir auch keine Entscheidungen treffen, da an diesem Punkt die Bewegung fehlt, und alles was wir als Äther oder Seele bezeichnen, uns mit Leben erfüllt.


Heiner Dübi,
5.3.2016, 115. Jahrgang, Nr. 65.

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