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«Wandzeitung» vom 22.12.2014:

Liebesbrief für Raphael:

Ein neues Jahr mit Dir.

«Unsere Leben gehören nicht uns. Von der Wiege bis zur Bahre sind wir mit anderen verbunden. In Vergangenheit und Gegenwart. Und mit jedem Verbrechen und mit jedem Akt der Güte erschaffen wir unsere Zukunft.» David Mitchell, Clouth Atlas.

2.12.2006, und da warst Du. Dunkle Stimme in der Werkstatt, strähniges Haar, gepierct. Wie ein Blitz durchfuhr es mich: Wow, wäre ich jung, würde ich Gas geben … Aber du warst knapp 19 und vergeben an die Stieftochter meiner Ex-Schwägerin. Und ich doppelt so alt. Tabu – in jeder Beziehung. Wir sahen uns wieder. Ein Drama hatte deine Welt erschüttert. Ich hörte betroffen zu, bot dir eine offene Tür. Jedes Mal, wenn du spontan aufgetaucht bist, hatte ich einen Schweissausbruch. Ich verliebte mich in dich. Deine Art, wie du mir zugehört hast, deine Anteilnahme, deine Mithilfe bei meinen Jungs und im Haushalt rührten mich. Du hast mir Unbeschwertheit geschenkt, gesagt ich soll mich ernst nehmen, aber mit Leichtigkeit. Wir, so verschieden in Geist und Alter und doch ist da dieses Band, Parallelen, wie ähnliche Körper, die Liebe zur Natur, Behinderung in der Familie.

Ich hab dir meine Liebe gestanden. Es hat dich nicht geschockt. Ich sagte zu dir, mach deinen Weg, ich steh dir nicht quer. Du meintest, mach deinen und bist geblieben. Berge, Täler, Enttäuschungen mit dir durch jugendlichen Leichtsinn. Ich wollte den Schlussstrich. Da wagte ich ein Experiment. Eine Rückführung in frühere Leben. Erfahren, ob ich mich fallen lassen kann. Und ob etwas dran ist am Ganzen. Gut instruiert konnte ich mich sofort entspannen. Ich glaubte wach zu sein und mein kreatives Gehirn gab bereitwillig Antwort auf die Fragen meines Mediums. Bis heute ist unklar, ob alles meiner Fantasie entsprungen ist, was ich da sagte. Die Geschichten sprudelten. Wir hatten da im Orient schon so eine Story zusammen, du der Heeresführer, ich eine einfache Bäuerin. Ähnliches im Mittelalter. Rang und Stand trennten uns. Und heute? Sitten und Gebräuche: das Alter? Das Medium sprach von einem Seelenvertrag, den wir vielleicht geschlossen hätten. Durch den konnten wir nicht zusammen kommen. Kann man den brechen?

Jahre vergingen, wir haben uns entwickelt. Zusammen mit den Jungs, die dich auch lieben – so wie du sie. Nicht wie so oft trennten sich unsere Wege, sie führten immer dichter aufeinander zu. Nach der Rückführung riefst du an. Ob ich dir beim Umzug behilflich sein könnte, das WE bei dir sein. Ich war geplättet. Ein Neuanfang? Ich wusste, da war mehr, da war schon immer mehr gewesen – alles! Dieser gemeinsame «Boden», ein tiefes Verstehen, Geborgenheit und – Liebe. DARUM hatte ich alles ausgehalten. Lass los und es kommt zu dir zurück – für immer?

Monate später hast du mich gebeten mit dir zusammenzuziehen. Ich sagte, sorry, nur wenn wir ein Paar werden. Erst mürrisch hast du unseren Herzen nachgegeben, deine Kontrolle aufgegeben. Und was ist geschehen? Unsere Truppe ist noch mehr zusammengewachsen. Wir sind nun eine Herzensfamilie, Bestimmung. Wir haben schon viel zusammen durchgemacht. Den Rest schaffen wir auch noch, in Ewigkeit, Amen.


Momo Appenzeller,
22.12.2014, 113. Jahrgang, Nr. 200.

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