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«Wandzeitung» vom 29.8.2016:

nur immer so weiter:

aufrüstung dringend?

in der «wandzeitung» vom 13. august bezieht sich pierre-françois bocion auf die derzeitigen weltpolitischen bedrohungen und plädiert für militärische aufrüstung unserer armee. er fordert mehr panzer, helikopter, abfangjäger, überwachungssysteme – und zwar gleichermaßen gegen den is im mittleren osten, gegen die anschläge in frankreich und belgien und gegen die flüchtlinge vor unseren grenzen. und für die abrüstung «auf teufel komm raus» macht er «die sp, die grünen», die gsoa, kurz die linksextremisten und friedensoptimisten verantwortlich. hat er vielleicht übersehen, dass unsere verantwortlichen parlamente allesamt gut ausgestattet sind mit bürgerlichen mehrheiten?

was sollen nun aber gepanzerte fahrzeuge und abfangjäger gegen die millionen von verzweifelten, unbewaffneten menschen, die in südeuropa die grenzen überschreiten wollen? gewehre gegen wehrlose? und überwachungssysteme, was haben diese in new york und paris und brüssel bewirkt? die berühmte stecknadel im heuhaufen findet sich nicht leichter, wenn der heuhaufen immer noch höher aufgeworfen wird.

die folgende geschichte ist mir vor jahrzehnten passiert: sonntagswache in der rekrutenschule. wer nicht gerade im schildwachhäuschen zu stehen hatte, musste sich im wachtlokal aufhalten und den sonnigen sonntag ungenutzt vorbeigehen lassen. auf einmal rief einer: «schaut mal dort drüben auf dem trottoir jene superstute!» heute registriere ich dies als unverhüllten ausdruck jener animalischen seite, die auch zum menschen gehört. aber damals empfand ich es als affront. die ganze weibliche hälfte der menschheit im allgemeinen und meine entfernt weilende angebetete im besonderen wurden damit in den dreck gezerrt und zum sexualobjekt erniedrigt. bevor noch eine sekunde vergangen war, hatte ich ihm eine ohrfeige geknallt. erschrecken, unverständnis, zorn. mit rotem kopf wandte er sich brüsk gegen mich, sogleich umringt vom ganzen dutzend der übrigen kameraden. ich sah eine robuste schlägerei und abstrafung auf mich zukommen. instinktiv legte ich meine beiden hände auf den rücken und gab ihm damit zu verstehen: «schlag zu, ich wehr mich nicht.» diese meine geste – zu meiner großen überraschung – schien den angriff zu blockieren. eine wütende schimpftirade ging über mich los, aber keinerlei körperliche attacke. hat man nicht bei hunden von beißhemmung gesprochen, wenn sich beim zweikampf das eine tier in die unterwerfungsposition begibt? ich erlebte, und dies sogar nach einem gewalttätigen übergriff meinerseits, die macht der gewaltlosigkeit.

ich weiß allerdings auch nicht, ob ein solches reaktionsmuster der deeskalation eins-zu-eins bei zwischenstaatlichen konflikten oder sogar im umgang mit köpfenden is-schergen anwendbar wäre. aber das weiß ich: wenn eine politik nicht die erwünschten ergebnisse bringt, so ist mehr-noch-vom-gleichen eine unkluge strategie. reziprokes verhalten wäre gefragt, ein denken auf neuen pfaden in der gegenrichtung. (könnte es gar sein, dass die eingangs genannten bedrohungen etwas mit dem westlichen wirtschaftsgebaren zu tun haben?)


Alfred Vogel,
29.8.2016, 115. Jahrgang, Nr. 242.

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