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«Wandzeitung» vom 11.3.2016:

Warten wir nicht allzu lang:

Ist Marine Le Pen bereits an der Macht?

In einem dramatisch anmutenden Leitartikel erklärte die grösste französische Abendzeitung «den klinischen Tod Europas» aufgrund seiner Unfähigkeit, die Flüchtlingskrise kollektiv anzugehen. Was im Artikel fehlte: Frankreichs spezifischer Beitrag zu dieser Sachlage.

Als Merkel einseitig beschloss, die Dublin-Regeln zu lockern und die Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, die mittlerweile zu Hunderttausenden vor den Massakern in Syrien und anderen Kriegsschauplätzen im Nahen Osten fliehen, gab es zwei mögliche Reaktionen: Die Unterstützung ihrer Initiative oder aber deren Sabotage. Nach einigem Zögern tat die französische Regierung so, als würde sie sich für die erste Variante entscheiden, während sie de facto die zweite umsetzte. Nachdem sie dem Plan zur Verteilung der Flüchtlinge in Europa zugestimmt hatte, bemühte sich Frankreich um die Verhinderung seiner Umsetzung. Bis heute hat das Land statt der vorgesehenen 24 000 nur einige Dutzend Flüchtlinge aufgenommen.

Kürzlich fuhr Premierminister Valls unter dem Vorwand der notwendigen Abstimmung der Sicherheitspolitik nach den terroristischen Anschlägen nach München, um Merkels Politik anzuprangern. Damit war er nach Orban der zweite europäische Regierungschef, der vor Ort die deutschen Rechten unterstützt hat, die sich explizit zum Ziel gesetzt haben, Merkel in die Knie zu zwingen. Und kürzlich wunderte sich Innenminister Cazeneuve über die Schliessung der belgischen Grenzen, obwohl er gemäss den gemeinsam mit seinem britischen Amtskollegen abgestimmten Plänen die Auflösung des Flüchtlingslagers in Calais initiiert und somit Hunderte von Verzweifelten zum Weiterziehen gezwungen hat. Man könnte denken, in Frankreich sei bereits Marine Le Pen an der Macht. Der Zerfall Europas wird voranschreiten, es sei denn, eine aufgeklärte Zivilgesellschaft und das couragierte Einschreiten einiger Regierenden leiten gemeinsam eine Wende ein, bevor es zum Schlimmsten kommt. Zwei Bedingungen sind für eine Kehrtwende unabdingbar. Erstens muss deutlich gesagt werden, dass Merkel recht hatte und dass ihre Initiative nicht scheitern darf. Zweitens muss die Isolierung Griechenlands, wo die grosse Mehrheit der Flüchtlinge ankommt, entschlossen bekämpft werden.

In dieser Hinsicht reicht es nicht, heuchlerisch die Nachbarn auf dem Balkan sowie die Griechen selbst zu belehren, oder die Türken, die immer aktiver in den Nahostkrieg eingreifen, mit dem Versprechen auf etwas höhere finanzielle Unterstützung um Hilfe zu bitten, oder die NATO mit einem Guerillakrieg zu Wasser gegen die «Schlepper» zu beauftragen. Es braucht weitreichende Notmassnahmen, wie wir sie aus Zeiten kollektiver Katastrophen kennen. Die nächstliegende wäre, unter Bemühung aller zur Verfügung stehenden zivilen und militärischen Mittel diejenigen Flüchtlinge, die bereits registriert sind, per Flugzeug oder Schiff in die Länder des Nordens zu bringen, welche in der Lage sind, sie aufzunehmen. Träumereien? Nein! Es muss doch alles daran gesetzt werden, damit das Schlimmste nicht wieder zur einzigen Option wird. Warten wir nicht allzu lang, denn der Countdown läuft.


Ludi Fuchs,
11.3.2016, 115. Jahrgang, Nr. 71.

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