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«Wandzeitung» vom 12.3.2016:

Die anfängliche Begeisterung legte sich:

(Noch) kein Loblied.

Eigentlich sollte dieser Beitrag ein Loblied werden auf die Handwerker in unserem Land. Der Hausteil meines verstorbenen Vaters wird gerade sanft renoviert und ich wohne inmitten der Baustelle. Das Parkett ist überall verlegt, aber im Eingangsbereich und im Wohnzimmer liegt ein Plastikschutz über dem Holz und darüber immer wieder eine neue Staub- und Schmutzdecke. Die Möbel stehen irgendwo im Raum, die Bananenschachteln werden erst ausgepackt, wenn der Boden versiegelt ist oder was auch immer noch mit dem Parkett geschieht. Das Bad sieht seit über zwei Wochen gleich aus: Eine Betonwüste mit einer neuen Badewanne drin, darüber auch der weisse Plastikschutz. Ausser des WC ohne Deckel befindet sich nichts im Raum, auch kein Heiz- und kein Lichtkörper. Im oberen WC ist seit über zwei Wochen nichts mehr. Am meisten halte ich mich in der Küche auf, die zugleich Büro und Bad ist. Hier putze ich die Zähne, wasche mein Gesicht und schminke mich.

Anfangs, als ich noch meine Wohnung hatte, in die ich fliehen konnte nach meinen regelmässigen Besuchen im Haus, war ich zutiefst beeindruckt von den Handwerkern. Wie emsig doch alle arbeiteten! Kein Vergleich zu einem Bürojob! Auf allen Vieren manchmal, immer mit vollem Körper-Einsatz und Ausdauer, egal wie unbequem die Haltung gerade ist.

 

Als ich vor über zwei Wochen in den Hausteil zog, war ich froh, dass alles neu gestrichen und der Boden verlegt war. Erst mit der Zeit schaute ich mich genauer um. Und je genauer ich hinsah, desto mehr Unperfektes sah ich. Ich fand auch die Zigarettenstummel in der Nähe der Haustür und auf der Strasse vor dem Haus, las sie auf und schrieb dem Malermeister eine Mail mit der Bitte, seinen Mitarbeitenden zu sagen, ihre Zigarettenreste anderswo zu entsorgen.

Einmal kam ich abends nach Hause und fand die WC-Schüssel statt im Bad im Wohnzimmer. Das Bad war voller Schutt und es sah so aus, als hätten die Handwerker alles so belassen, um am folgenden Tag gleich fortzufahren mit ihrem Werk. Sie hatten tatsächlich vergessen, dass ich schon im Haus wohnte! Ich rief den Bauchef an, er war entsetzt ob seinen Angestellten und eine Stunde später stand der eine im Haus und montierte die WC-Schüssel.

Man braucht wohl starke Nerven, wenn man seine Räumlichkeiten renoviert und mitten drin wohnen bleibt. Meine sind strapaziert von den vergangenen Wochen. Die Trauer um den Tod meines Vaters, die Vorbereitungen des Umzugs, die administrativen Arbeiten, der Umzug selber, das Verlassen der Wohnung, das Leben im Haus, wo zuletzt mein Vater gelebt hat. Und ständig kommt etwas dazu, gibt es neue Entscheidungen zu treffen.

Ich hoffe, dass schliesslich alles gut kommt mit den Ausbesserungsarbeiten und allem, was noch gemacht wird, dass ich mich nicht mehr veräppelt fühle und nicht mehr den Eindruck bekomme, bei einem Bauherr würden sich alle mehr Mühe geben als bei einer «Bauherrin». Ich wünsche mir, dass ich zu guter Letzt wieder den Hut ziehen kann vor unseren Handwerkern, ihrem Einsatz und ihrem Können. Und dass ich sagen kann, dass die Renovierungsarbeiten im grossen Ganzen doch gut verliefen und alles unter einem guten Stern stand.


Rosmarie Schoop,
12.3.2016, 115. Jahrgang, Nr. 72.

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