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«Wandzeitung» vom 27.4.2016:

Kinder- und Jugendheimgesetz:

Gut Ding will Weile haben.

Aktuell behandelt die Kommission für Bildung und Kultur, KBIK, des Kantonsrates das Kinder- und Jugendheimgesetz, KJG. Als Gemeindevertreter durfte ich kürzlich an einem Hearing der Kommission teilnehmen. Dieses dringend notwendige Gesetz zeigt exemplarisch auf, wo der Kanton Zürich Handlungsbedarf hat – und wie lange politische Prozesse dauern können.

Zum Handlungsbedarf: Die Finanzierung der stationären Jugendhilfe basiert im Kanton Zürich auf der Basis des Gesetzes über die Jugendheime und die Pflegekinderfürsorge von 1962. 1962 hielt die Kubakrise die Welt in Atem, die Beatles nahmen ihre erste Platte auf und die «Spiegel-Affäre» bewegte Deutschland. Auch die Gesellschaft hat sich seither bewegt. Nicht aber die Finanzierung der stationären Jugendhilfe. Diese ist gerade im Kanton Zürich ein Buch mit sieben Siegeln, das kaum eine Fachperson durchschaut. Es führt wohl in diesem Bereich zum schweizweit intransparentesten und kompliziertesten Finanzierungssystem. Und zu einem ineffizienten dazu: Zahlreiche administrative Leerläufe und Doppelspurigkeiten werden zwischen den Kinder- und Jugendhilfezentren, ehemals Jugendsekretariate, Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden, Sozialbehörden, Schulen, Psychiatrien, Heimen und weiteren Akteuren geschaffen. Die Planbarkeit für die Gemeinden ist in keiner Weise gegeben. Ein einzelner kostspieliger Fall kann aufgrund des unfairen Finanzierungsmodells dazu führen, dass die Finanzen einer Kleingemeinde in Schieflage geraten. Eine wirksame, bedarfsgerechte Versorgungsplanung und damit verbunden eine Angebotssteuerung fehlen weitgehend.

Dies soll jetzt geändert werden: Der vom Regierungsrat vorgelegte Gesetzesentwurf bringt eine zeitgemässe Regelung. Mit dem Gesamtkostenmodell steigt die Planbarkeit für die Gemeinden. Besonders belastete Gemeinden werden tendenziell entlastet. Kleine Gemeinden erhalten mit der Finanzierung nach Einwohnern für eine Art Versicherungsbeitrag die Gewissheit, dass sie künftig nicht aufgrund eines kostspieligen Einzelfalles in Finanznöte geraten. Und durch eine Zentralisierung sind die Voraussetzungen gegeben, dass der Kanton unter Einbezug aller Akteure erstmals eine bedarfsgerechte Planung und Steuerung vornimmt. Zankapfel ist noch der Kostenschlüssel, bei dem die Gemeinden gerade aufgrund der an sich sinnvollen, beim Kanton angesiedelten zentralen Steuerung einen bedeutend namhafteren kantonalen Beitrag, mindestens 60 Prozent als die aktuell vorgesehenen 35 Prozent fordern.

Kurz und gut: Die aktuelle regierungsrätliche Vorlage mit dem Gesamtkostenmodell erfüllt das, was am 14.11.2011 die damaligen FDP-Kantonsratsmitglieder Gabriela Winkler, Urs Lauffer und Regine Sauter richtigerweise forderten: «Der Regierungsrat wird eingeladen, unverzüglich die gesetzlichen Grundlagen für eine zeitgemässe Finanzierung der stationären Jugendhilfe zu erlassen.» Wenn auch mit zeitlicher Verzögerung. Aber wie heisst es so schön: «Gut Ding will Weile haben.» Nachdem der Regierungsrat für die Weile gesorgt hat, bleibt zu hoffen, und sich dafür zu engagieren, dass der Kantonsrat dafür die Vorlage als «gut Ding» ins Ziel bringt.

 


Nicolas Galladé,
27.4.2016, 115. Jahrgang, Nr. 118.

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