Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 5.6.2014:

Für die «Wandzeitung» wirken konstruktive Autorinnen und Kolumnisten, nicht aber Wutschreiber:

Instrument für die Meinungsvielfalt.

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz, die heute lancierte «www.wandzeitung. ch» ist freilich eine konstruktive Form des Widerstands gegen Medieneinfalt. Sie wird sich indes niemals grob gegen Andersdenkende wenden oder einfach der relevanten publizistischen Konkurrenz zornig kontern, nein. Das erklärte Ziel der mit wachem Geist mitwirkenden 21 schreibenden Frauen und 20 Männern ist es, in der Altstadt 365 mal im Jahr mit pointierten Kommentaren oder kreativen Wortschöpfungen zu überraschen. Tag für Tag hängt also im Schaukasten am Obertor ein zwar wutfreier, aber engagierter Text, der am Tag danach im Blog diskutiert werden kann.

Wandzeitungen gab es notabene schon zur Zeit der Antike, während der Epoche des Altertums im Mittelmeerraum. Die damaligen Menschen hinterliessen Zeichen und Symbole in unterschiedlichsten Formen an Wänden. Eine Erweiterung erfuhren die geklebten Worte in der Moderne, etwa durch die religiöse oder politische Agitation. Diese Plakate wurden als Mittel zur Meinungsäusserung oder Ausdrucksform eigener Ansichten und Thesen an die Wand geschlagen oder aufklärerisch eingesetzt. Vor allem aber wurden sie zur Zeit der noch jungen Sowjetunion genutzt und verbreiteten sich schnell in allen sozialistischen Länder. Als dann die Nationalsozialisten ihr Unwesen trieben, wirkten diese Anschläge als Kampfinstument, über die ihre radikal rassistische, antisemitische, antikommunistische und antidemokratische, also menschenverachtende Weltanschauung unerträglich multipliziert wurde. So verbreitete etwa Julius Streicher sein dergestaltes Hetzblatt «Stürmer» in allen deutschen Städten. Ab 1949 war es auch in der DDR üblich, an Fassaden der Schulen und Betrieben politische Agitation und Propaganda zu pappen. 1966 leitete Mao Zedong sogar seine Kulturrevolution mit der Wandzeitung ein; und 1979 klebte der Dissident Wei Jingsheng seine zu Papier gebrachten Aufrufe an die Mauer der Demokratie in Peking.

Und nun lancieren wir unser konstruktives Instrument für Meinungsvielfalt. Dies nachdem hier zuerst die katholische «Hochwacht» beziehungsweise die NZN eingestellt wurde, dann das freisinnige «Neue Winterthurer Tagblatt», der SVP-nahe «Weinländer», die sozialdemokratische «AZ», die zuletzt noch zwölf Jahre als unabhängiges «Stadtblatt» erschien. Letzte hiesige Tageszeitung ist der «Landbote», der mittlerweile im Besitz des arrivierten Zürcher Verlags Tamedia ist, wogegen ganz und gar nichts einzuwenden ist.

Nur fehlt ohne Konkurrenz der publizistische Diskurs. Aber den nehmen wir gerne wieder auf. Unterschiedliche Sichtweisen zeigen das Leben in Winterthur, der Schweiz, der Welt: in wunderbarer Vielfalt auf, und ehemals ausgesprochene irritierende Schreibverbote verschwinden hoffentlich für immer.


Guido Blumer.

Artikel als PDF downloaden

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.