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«Wandzeitung» vom 27.5.2016:

Wir sind dem nationalkonservativen Rechtspopulismus nicht hilflos ausgeliefert:

Ein Gespenst geht um.

«Ein Gespenst geht um in Europa …». Es handelt sich aber nicht um das Gespenst des Kommunismus, mit dem Marx und Engels ihr Manifest einleiten. Das Gespenst, das umgeht, ist der nationalkonservative Rechtspopulismus, der sich in Europa und anderen Ländern breit macht. Der das Establishment herausfordert, Gleichgewichte und Gesetzmässigkeiten ins Wanken bringt und grundlegende soziale und liberale Errungenschaften gefährdet. Und zunehmend angeführt wird von autoritären Führern, die dort, wo sie die Macht übernommen haben, anschaulich aufzeigen, wo das hinführt. Indem etwa wie in Ungarn, Polen oder der Türkei Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit zunehmend abgebaut werden, während sich Staatsführer installieren und eine absolute Machtbasis aufbauen.

Die Folgen von Veränderungen wie Technologisierung und Globalisierung sowie komplexe Herausforderungen wie Klimawandel, Finanzkrisen und Flüchtlingsbewegungen überfordern uns sowohl als Gesamtheit wie auch als Einzelne. Die Grenzen des Nationalstaats machen ohnmächtig – oder werden ignoriert. Einfache Lösungen klingen da verlockender als komplexe Zusammenhänge und Erklärungen, die auch unbequeme Wahrheiten beinhalten. So sind der Rückzug auf die Insel – Brexit-Befürworter in Grossbritannien –, die Mauer an der Grenze zu Mexiko – Donald Trump – oder ein Stacheldraht um die Schweiz – Herr Glarner – en vogue.

Aufschwung erhalten die Rechtspopulisten aber auch durch die schwächelnden etablierten Parteien, die sich zunehmend um den eigenen Machterhalt statt um die Sorgen der Menschen zu kümmern scheinen. Anschaulich der Aufstieg der AfD in Deutschland, die sich explizit als Alternative zum bestehenden System und den Volksparteien sieht. Bereits eine Stufe weiter ist die Entwicklung in Österreich, wo die FPÖ in Umfragen stärkste Partei ist und nur haarscharf in der Stichwahl um die Bundespräsidentenwahl scheiterte. Ausschlaggebend dafür war wohl der Rücktritt von Bundeskanzler Faymann und der Einstieg seines Nachfolgers Christoph Kern, der die langjährige Klientelpolitik der beiden Volksparteien kritisierte und aufzeigte, dass es Zeit ist für Reformen und dies als letzte Chance vor dem Niedergang der Volksparteien und der Übernahme durch die Freiheitlichen zu begreifen sei. Und noch einen Schritt weiter ist Italien unter Matteo Renzi, der verkrustete Strukturen aufweicht und diverse, längst überfällige Reformen auf den Weg gebracht hat.

Es zeigt sich also, dass man dem nationalkonservativen Rechtspopulismus nicht hilflos ausgeliefert ist. Es bedingt aber, dass man eine fortschrittliche und offene Haltung entwickelt, die öffentliche Sache ins Zentrum rückt und notwendige Reformen angeht. Und auch bereit ist, die Grenzen des eigenen Handlungsrahmens an- und auszusprechen. Etwa mit der klaren Aussage, dass die Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit sich nicht alleine auf nationalstaatlicher Ebene finden, sondern im internationalen Verbund, europäisch und global angegangen werden müssen.


Nicolas Galladé,
27.5.2016, 115. Jahrgang, Nr. 148.

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