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«Wandzeitung» vom 27.8.2016:

Ein unwortverdächtiges Schlagwort:

Sozialhilfetourismus.

Die Ferienzeit ist vorbei. Unklar ist dagegen, ob eine andere Art von Tourismus, über die immer wieder berichtet wird, überhaupt in grossem Masse stattfindet: der sogenannte Sozialhilfetourismus. Dieses unwort-verdächtige Schlagwort wurde häufig in die Diskussion eingebracht, wenn es darum ging, dass sich gewisse Gemeinden mit Massnahmen hervortaten, um für Sozialhilfebeziehende möglichst unattraktiv zu sein: Vor zwei Jahren machte im Sommerloch eine Aargauer Gemeinde Schlagzeilen, die ihre Hausbesitzer bat, Sozialhilfebeziehenden keinen Wohnraum zu gewähren. Eine Gemeinde am Bodensee verweigerte einer Zuzügerin die Anmeldung in der neuen Wohngemeinde, was wiederum die Voraussetzung gewesen wäre, um Sozialhilfe zu beantragen. Je schikanöser man sich verhalten würde, so die Überlegung dahinter, desto weniger attraktiv werde man für Sozialhilfebeziehende. Gemeinden und Städte, die sich wiederum an rechtsstaatliche Grundsätze und die gesetzlichen Kriterien für die Berechtigung von Sozialhilfebezug halten befürchteten dagegen, solches Verhalten könne einen Sozialhilfetourismus in diese Städte bedeuten. Zumal ja bekannt ist, dass je grösser eine Gemeinde ist, desto höher auch im Durchschnitt die Sozialhilfequote liegt. Die Städteinitiative Sozialpolitik hat in ihrem eben veröffentlichten Kennzahlenbericht auf Basis von speziellen Erhebungen des Bundesamtes für Statistik das Thema «Räumliche Mobilität von Sozialhilfebeziehenden» genauer untersucht. Daran beteiligt waren 14 Städte, in denen rund 27 Prozent aller Sozalhilfebeziehenden leben. Die Ergebnisse erstaunen aufgrund der heftigen öffentlichen Diskussionen in der Vergangenheit: Es gibt bei Sozialhilfebezienden natürlich Fälle, die von einer Gemeinde in die andere ziehen und vorher und nachher Sozialhilfe bezogen haben. Es gibt auch Fälle, die von einer Gemeinden in die andere ziehen und im ersten Jahr in der neuen Gemeinde Sozialhilfe beziehen. Aber: Diese Gruppen machen einen relativ kleinen Anteil aus. Über alle 14 Städte handelt es sich bei rund 8 % aller neuen Fälle um solche, die schon vorher in einer anderen Gemeinden Sozialhilfe bezogen haben. Am gesamten Fallbestand machen diese noch etwa 2 % aus. Der allergrösste Teil, nämlich 76 % jener Personen, die 2014 neu Sozialhilfe bezogen haben, hatten ihren Wohnsitz im Vorjahr in der selben Gemeinde. Stellt man diesen Zahlen auch noch die Wegzüge von Sozialhilfebeziehenden aus den entsprechenden Städten gegenüber, halten sich praktisch in allen Städten die Zu- und Wegzüge die Wage, gesamthaft gibt es sogar per Saldo mehr Wegzüge. Die Zahlen sind aber nicht signifikant. So verzeichnet die Stadt Zürich bei der Kategorie mit andauerndem Sozialhilfebezug 2014 170 Zuzüge und 173 Wegzüge (bei 12 000 Fällen) oder die Stadt Winterthur 55 Zuzüge und 53 Wegzüge (bei 3500 Fällen). Es macht natürlich Sinn, mit weiteren Erhebungen diese Zahlen auf einer grösseren Zeitreihe zu überprüfen. Das Zwischenfazit, das gezogen werden kann: Das Bemühen einiger Gemeinden, mit Schikanen möglichst unattraktiv zu wirken für Sozialhilfebeziehende hat keine signifikanten Auswirkungen auf deren Mobilität – stigmatisiert aber Armutsbetroffene, vermiest das gesellschaftliche Klima und verschlechtert das Zusammenleben.

 


Nicolas Galladé,
27.8.2016, 115. Jahrgang, Nr. 240.

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