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«Wandzeitung» vom 16.3.2016:

Alltägliches:

In Gedenken an Lars. (Teil 1)

Vor einigen Jahren gab es an unserer Strasse einen wunderschönen weissen Kater. Er war verwildert und ein absoluter Einzelgänger. Das war sehr schwierig, weil ja in fast jedem Haus Katzen lebten. Nachts, wenn er durch sein grosses Revier tigerte, gab es immer Kämpfe und alle starken Katzen trugen Verletzungen davon. Die anderen Samtpfoten waren verängstigt und eingeschüchtert, wenn sie ihm begegneten und zogen sich zurück. Im Winter riss er Kehrichtsäcke auf, um nach Futter zu suchen. Sein Fell war gelblich und zerzaust. Die Tierärztin aus der Nachbarschaft sagte, dass sie den Kater gerne kastrieren würde. Dann wäre er nicht mehr so aggressiv.

Irgendwann merkte ich, dass der Kater inne hielt, wenn er mich sah. Wir sahen einander an und blieben einen Moment stehen. Sobald er aber ein Geräusch hörte, zuckte er zusammen und rannte davon. Ich fing an, leise mit ihm zu sprechen. Er setzte sich hin und sah mich interessiert an. Manchmal miaute er mit einer tiefen, heiseren Stimme. Wenn ich aber einen Schritt auf ihn zu machte, duckte er sich und rannte weg. Es war ein strenger Winter und ich bedauerte ihn. Vermutlich hatte ihn jemand ausgesetzt, als er klein war. Jedenfalls merkte man, dass er es gewöhnt war, für sich alleine zu sorgen und er musste auch schon einige Jahre alt sein.

Ich beschloss ihn einmal am Tag zu füttern. Die kaputten Kehrichtsäcke im Schnee waren wirklich lästig und alle Nachbarn nervten sich. Mir tat das Tier leid, weil es ja gar keine andere Wahl hatte. Ich dachte mir, dass es ihm sicher gut tun würde ein wenig Zuwendung zu bekommen. Ausserdem hatte ich das Gefühl, dass er meine Nähe suchte. So stellte ich ihm fortan etwas Katzenfutter hinter das Haus und ich beschloss, dem Kater einen Namen zu geben; Lars. Er hatte kurze Stummelbeinchen und erinnerte an den kleinen Eisbären aus der bekannten Geschichte. Lars nahm das Futter dankbar an und die Säcke blieben künftig heil. Sein Fell wurde allmählich seidig, die gelbliche Farbe verlor sich langsam. Ich hatte angefangen, in der Nähe des Futters zu stehen, wenn er kam um zu fressen. Meistens wartete er schon hinter dem Strauch, wenn ich den Napf hinstellte. Am Anfang frass er ganz gehetzt und blickte immer wieder zu mir hin. Er schlang grosse Bissen hinunter vor lauter Angst, dass man es ihm wieder wegnehmen könnte. Ich sprach dann leise auf ihn ein und er entspannte sich etwas. Ich fing an, den Futternapf immer näher an die Haustüre heranzustellen, bis er auf der Türschwelle stand. Ich sass auf der Treppe unter der offenen Tür. Ich konnte mich nun etwas bewegen, ohne dass er gleich zusammenzuckte. Mir war klar, dass er früher schrecklich misshandelt worden sein musste. Ich hatte schon gemerkt, dass er in den frühen Morgenstunden durch die Katzentüre kam und heimlich das Geschirr in der Küche leerte. Sobald ich mich aber regte, rannte er hinaus. Schliesslich hockte ich mich draussen direkt vor dem Napf als Lars zum Fressen unter die Haustüre kam.

 

 


Momo Appenzeller,
16.3.2016, 115. Jahrgang, Nr. 76.

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