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«Wandzeitung» vom 22.8.2016:

Nach uns die Sintflut?

«Enkeltauglichkeit.»

An unserer Gesellschaft wird eine zunehmende Herkunftsvergessenheit kritisiert. Und das, obwohl eine wachsende Zahl von Menschen Museen, Ausstellungen und Gedenkfeiern besucht und eine Flut von historischen Werken zum Nachsinnen über unsere Vergangenheit einlädt. Wir betrachten uns kaum noch als Abkömmlinge unserer Vorfahren. Ihr Wissen, ihr Können und ihre Erfahrung ist nicht gefragt. Wir sehen uns nicht als die Kinder, Enkel, Urenkel vergangener Generationen, es sei denn, ein Grossvater sei grad noch Nobelpreisträger, Spitzenpolitiker oder sonst eine hoch dekorierte Berühmtheit gewesen. Erfolgreich bin ich vor allem kraft meiner Talente, meiner Ausbildung und meiner Leistungen.

Dieser Verlust des Bewusstseins, Teil einer übergreifenden Traditionslinie zu sein, wirkt sich allerdings auch in die Zukunft aus. «Yolo» («You only live once») prägt unsere Lebensbefindllichkeit. Das ist der neudeutsche Slangbegriff für «nach uns die Sintflut». Wenn wir über das Leben in der Zukunft nachdenken, gehört das allerdings verboten. Wir wissen alle, dass wir dreimal so viele natürlichen Ressourcen verbrauchen als unser Planet hergibt und eine Generationenvergessenheit unverantwortlich wäre. Es kann uns nicht egal sein, welche Welt wir unsern Kindern und Grosskindern überlassen. Deshalb ist die Enkeltauglichkeit ein guter und wichtiger Massstab für unseren Verbrauch von Rohstoffen der Natur. Was wir der nächsten Generation hinterlassen, welche Welt, welche Natur, welche Luft, welches Trinkwasser, das soll für sie lebenswert bleiben. Generationenverträglichkeit beruht auf Solidarität und verpflichtet, die natürlichen Ressourcen nicht mehr auszubeuten, als wieder nachwächst.

Verschiedene politische Debatten werden gerade heute an diesem Massstab vorbeigeführt, nur halb erst genommen. Die Reform Altersvorsorge: Die Anpassung an den demografischen Wandel darf nicht dazu führen, dass den zukünftigen Erwerbsgenerationen, die die Renten der Senioren finanzieren, immer mehr aufgelastet wird, weil die Renten nicht nur viel länger geschuldet sind, sondern auch noch angehoben werden. Hier muss die Generationensolidarität für eine Balance sorgen. Auch in der Energiepolitik stehen wir in der Pflicht. Es wäre zu einfach, die Vorschläge an nötigen Anreizsystemen, Lenkungsabgaben und vielleicht auch Konsumverzichten nur als «nicht verhältnismässig, nicht wirksam und nicht wirtschaftsfreundlich» abzulehnen (Kritik des Gewerbeverbandes in Bezug zur Volksinitiative «Grüne Wirtschaft»). Wir planen nicht für heute, sondern für unsere Enkel für morgen und übermorgen.

Der demografische Wandel unserer Gesellschaft – immer mehr Senioren durch Langlebigkeit – führt zu einer Verzerrung von zukunftsrelevanten Volksentscheiden, wenn nicht die Enkeltauglichkeit ein wichtiger Massstab wird. Kinder und Jugendliche haben noch gar keine Stimme, dabei geht es um langfristige Folgen und Auswirkungen ihrer Welt. Um das zu korrigieren in unserem direktdemokratischen System gibt es nur die freiwillige Achtsamkeit der Generationensolidarität. Konkret braucht es vor jedem «Ja» oder «Nein» den Enkeltauglichkeitscheck! Er lautet: «Was würden unsere Kinder und Enkel stimmen?»


Maja Ingold,
22.8.2016, 115. Jahrgang, Nr. 235.

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