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«Wandzeitung» vom 20.1.2016:

Polemik:

Die Linken könnten frecher sein.

Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, bei den Grünen in Uster ein Podium zu moderieren zum Thema «Asylpolitik – wie weiter?» Es war eine interaktive Sache, das Publikum beteiligte sich rege an der Diskussion. Einer sagte: «Die Linken sind zu lieb und nett. Sie müssten viel mehr auf den Putz hauen, viel frecher auftreten. Genau wie die SVP.» Bastien Girod, der im Wahlkampf oft auf das Thema Ausländer und Asylsuchende angesprochen worden war und darauf nicht immer die passende Antwort fand, fragte zurück: «Was schlagen Sie denn konkret vor?» Der andere sagte: «Einfach frecher.» Konkreter wurde er nicht.

Es ist nicht so einfach, von linker Seite her frech zu argumentieren. Sonst würde es wohl längst gemacht. Der Erfolg rechtspopulistischer Politik beruht ja darauf, Ängste wachzurufen und zu pflegen. Das ist nicht schwer, und ein Sündenbock für den drohenden persönlichen Abstieg ist immer schnell gefunden: IV-Bezüger, Sozialhilfeempfänger, Ausländer, Kriminelle, aber auch Subventionsempfänger wie etwa Nehmerkantone im Finanzausgleich. Angstpolitik ist erfolgreich, weil sie eine Schwäche der menschlichen Natur so gut auszunützen weiss.

Angewendet auf linke Politik hiesse das: Der drohende Ausstieg der Schweiz aus der europäischen Menschenrechtskonvention muss als existenzielle Gefahr dargestellt werden. Das stimmt natürlich auch, unter Umständen wäre eine solche Kündigung gefährlich. Doch Schattierungen wie «unter Umständen» liegen nicht mehr drin, wenn die Linke die Angstsensoren des gemeinen Wählers erfolgreich ansprechen will. Die Aussage müsste radikal daherkommen, ohne jede Relativierung. Weiter müsste das Referendum der SVP gegen die Asylgesetzrevision mit drastischen Worten bekämpft werden. Nicht nur mit Blick auf die Widersprüchlichkeit der SVP, die eigentlich jedes Interesse an der geplanten Straffung der Asylverfahren haben müsste. – Nein, drastisch heisst, an die Ängste appellieren: Wenn dieses Gesetz versenkt wird, bedeutet das, dass Asylverfahren weiterhin Jahre dauern, und bei zunehmenden Asylgesuchen bedeutet das, dass wir irgendwann keinen Platz mehr haben werden, all diese Leute unterzubringen. Kurz: Das SVP-Referendum macht uns unseren Wohnraum streitig. Auf dem Plakat könnte das etwa so lauten: «Keine Schweizer Wohnungen für Asylbwerber. Ja zur Asylgesetzrevision, Nein zum SVP-Referendum.»

Wieso eigentlich nicht? Was dagegen spricht: Links heisst eben nicht nur lieb und nett, sondern auch vernünftig und mit Respekt vor der Sache und den Mitmenschen. Da verträgt es nicht beliebig viel Polemik. Trotzdem sollten Politiker der Linken diesen Grundsatz ihren Idealen ab und zu unterordnen. Beispielsweise, indem sie vermehrt menschliche Instinkte ansprechen wie Egozentrismus oder individuelles Erfolgsstreben. Höhere Ziele wie Wohlfahrt und internationale Friedensarbeit sind dabei nicht aus den Augen zu verlieren, aber man holt mit diesen Anliegen nicht die Massen an die Urnen. Ausser, man verpackt sie geschickt.

 


Claudia Blumer,
20.1.2016, 115. Jahrgang, Nr. 20.

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