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«Wandzeitung» vom 28.12.2016:

Das Polarisieren und Ausgrenzen wird immer populärer:

Oma Gertrude warnt.

Anlässlich der Dezember-Synodensitzung hat das 101-köpfige Parlament der katholischen Zürcher Kantonalkirche einstimmig eine Resolution verabschiedet, die den bevorstehenden Bischofswechsel in Chur im Jahr 2017 anvisiert. Da der Kanton Zürich zur Diözese Chur gehört, fordern die Kirchenabgeordneten, aktive Katholikinnen und Katholiken von der Pfarreibasis, künftig eine «versöhnliche Lösung», die zur «Befriedung der gegenwärtigen Situation» beiträgt, und wünschen sich als neuen Bischof «eine friedensstiftende Persönlichkeit», die «konsensorientiert» handelt. Benötigt wird jemand, der integriert. Dieses Anliegen berührt ein weltweites Problem. Im Moment geht an vielen Orten der politische Trend Richtung Polarisierung und nicht Richtung Integration. Der neugewählte US-amerikanische Präsident polarisiert hemmungslos und lustvoll – zumindest für ihn und seine Anhängerschaft. Gleichzeitig grenzt er rücksichtslos und menschenverachtend aus. Dasselbe geschieht von den Regierungen her zurzeit in Ungarn, Polen, der Türkei und tendenziell in mehreren anderen Ländern. So droht bei den französischen Präsidentschaftswahlen ein Sieg des rechtsradikalen Front National mit der Spitzenfrau Marine Le Pen. Italien ist nach der Referendumsabstimmung über die neue Verfassung faktisch ein gespaltenes Land. Und in Österreich ist bei der Wahl zum Bundespräsidenten der populistische Kandidat der Freiheitlichen Hofer mit seinem volksverhetzenden Obmann Strache kürzlich zum Glück zwar verhindert worden; aber auch da stehen sich zwei fast gleich starke Lager unversöhnlich gegenüber. In beinahe jedem Land Europas gibt es eine politische Gruppierung, die äusserst erfolgreich Fremdenfeindlichkeit, aggressiven Nationalismus und niedere Instinkte schürt.

Darum will ich hier der warnenden Stimme einer 89-jährigen österreichischen «Pensionistin» Raum geben, die unlängst im Netz unter dem Namen «Oma Gertrude» aufgetaucht ist (und sofort über drei Millionen mal angeklickt wurde). Sie ist eine Überlebende des Holocaust – als einzige ihrer Familie – und mahnt uns von ihrem Küchentisch aus eindringlich: «Die Beleidigung anderen gegenüber, das Runtermachen, das Schlechtmachen, das stört mich am allermeisten, keine Achtung vor den Anderen, das Niedrigste aus den Leuten, aus dem Volk herausholen, nicht das Anständige, sondern das Niedrigste. Und das war schon einmal der Fall. Man hat aus den Menschen Hass oder Lächerlich-Machen geholt. Es haben sich die Menschen hingestellt, wie die Juden die Strassen reinigen mussten, sind die Wiener gestanden, Frauen, Männer, haben zugeschaut und haben gelacht. Schaut’s euch das an: ha, ha, ha. Das war lustig. Und das versucht man wieder herauszuholen aus den Menschen – und das schmerzt; und das fürchte ich. Der Punkt bei mir war, wie der Strache das Wort «Bürgerkrieg» gesagt hat, da ist mir kalt über den Rücken geronnen und ich habe mir gedacht: Das darf nicht einmal erwähnt werden, nicht einmal angedacht.

Ich habe 1934 als 7-jähriges Kind einen Bürgerkrieg erlebt, da habe ich meine ersten Toten gesehen – leider nicht die letzten. Das hat sich so eingegraben in mir, dass ich das heute noch weiss. Und dann sagt ein Politiker, ein Bürgerkrieg wäre möglich – das darf doch nicht sein!“ – Amen!


Hugo Gehring,
28.12.2016, 115. Jahrgang, Nr. 363.

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