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«Wandzeitung» vom 26.2.2016:

Alltägliches:

Sterilisierung geistig Behinderter.

Als Eltern von Kindern mit Handicap kommt man immer mal wieder an seine Grenzen. Man wird mit Dingen konfrontiert, die extrem schwierig sind. Oft muss man eigene Wege gehen, improvisieren und individuell entscheiden. Die Gesetzgebung ist manchmal schwierig und legt weitere Steine in den Weg. Dieses Thema wird rote Köpfe geben. Es ist ein Tabu und eigentlich klar. Wirklich? Es sollte nicht in unserer Macht stehen, darüber zu entscheiden, ob sich unser Kind reproduzieren darf. Auch behinderte Menschen haben das Recht eine erfüllte Sexualität und Partnerschaft zu leben. Gehört Kinder zu haben zwingend dazu? Theoretisch schon. Praktisch gesehen ist es schwierig, einen ebenbürtigen Partner zu finden, der einem bleibt – auch bei Menschen ohne geistige Einschränkung. Kommen Kinder dazu, wird es noch komplizierter.

Nach den Zwangssterilisationen in der Vergangenheit sind die Menschen geschockt. Heute ist es verboten, jemanden anderen gegen seinen Willen zeugungsunfähig zu machen. Und das ist auch richtig so! Wie sieht das aber aus, wenn man als Eltern sieht, dass das eigene Kind ohne Hilfe nicht bestehen wird im Leben? Bei so einem krassen Schritt gibt es viel zu beachten. Was wir vom Kind wollen, müssen wir selber bringen. Wir haben uns selber sterilisieren lassen. Ich gleich nach der Geburt des zweiten Sohnes im Alter von 28 Jahren. Ich musste mich durchsetzen! Nach den eher schwierigen Schwangerschaften wollte ich eine natürliche, endgültige Empfängnisverhütung. Mein Ex-Mann hat den Schritt nach unserer Trennung gemacht.

Es ist also klar, dass das eigene, inzwischen erwachsene Kind schon Mühe hat, selber für sich zu sorgen. Es braucht ständig Leitung und Unterstützung. Wir wollen eine Balance finden zwischen Führung und Selbstbestimmung. Wir wollen Verantwortung übernehmen. Aber wir möchten unter diesen Umständen keine Enkel, die wir aufziehen müssten. Und wir wollen nicht, dass sich unser Sohn unnötig belastet.

Vom Gesetz her ist es so: Man lässt es darauf ankommen! Als Eltern müssten wir uns um die Empfängnisverhütung unseres Kindes kümmern. Wie sieht das in der Praxis aus? Daneben stehen, wenn er sein Kondom überstülpt? Ich bitte Sie! Dass unser Kind eine Partnerin ohne Behinderung findet, ist undenkbar. Was passiert, wenn ihre Eltern auch nicht aufpassen? Welche seelische Verletzung ist grösser? Wenn wir viele Gespräche führen mit unserem Kind zum Thema und eine Sterilisation anstreben oder wenn man «dann halt» ein Kind abtreibt oder austrägt? Ich habe etliche Kinder erlebt von Müttern, die geistig eingeschränkt sind, die bestenfalls von den Grosseltern aufgezogen werden. Überforderung, weitere Kinder mit Problemen. Was haben sie für eine Chance im Leben? Von den Kosten für unser Gesundheitssystem ganz abgesehen.

Niemand darf über ein anderes Leben werten, das ist logisch. Auch kann ich meinem Sohn nicht alle Probleme abnehmen. Aber muss man sie herausfordern? Der Weg ist steinig und vermutlich aussichtslos. Trotzdem müssen wir ihn gehen. Eine Ethikkommission wird entscheiden. Wir bitten um gesunden Menschenverstand.


Momo Appenzeller,
26.2.2016, 115. Jahrgang, Nr. 57.

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