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«Wandzeitung» vom 30.12.2016:

Es gibt keinen sicheren Ort mehr auf dieser voll verstörten Welt unserer Gesellschaft der Idioten:

Trauer mit meinen verehrten Deutschen.

Ach, wie ich dieses hoch anständige Deutschland liebe, beziehungsweise dessen knapp 81,3 Millionen überwiegend freundlich-korrekte Menschen, die auf der Fläche von 357 376 Quadratmetern gutem Boden leben. Auf dem kleinen bayrischen Flecken Bettenfeld im Bezirksamt Rothenburg ob der Tauber wurde mein Grossvater und Schneidermeister als Georg Friedrich Weber geboren. Wann, das ist uns Nachkommen nicht bekannt. Schlüssig ist indes die Emigration meines Ehnls nach Winterthur im Jahr 1910: ins Gebäude am Holderplatz Nummer 1, in das Haus, welches diesen Webers als Wohnung und Atelier diente. Jetzt beherbergt die Boutique Jeanslife die Modehosen in der Werbesprache: mit der Leidenschaft für das Echte. Mein Opa starb vier Jahre vor meiner Geburt 1948, die lebenslustige Grosi aus dem Süddeutschen erlebte ich bis ins höhere Jugendalter körperlich aktiv.

Manch einen Herrn lernte ich ahnungslos mit Nachnamen kennen. Aber diese Welt verstand ich eh nicht. Mich störte allemal nur, dass mich mein Ömchen mit ihrem kleinen Finger übers zierliche Handgelenkchen – quasi festnahm. Ihr Zeigefinger, der Mittel- und der Ringfinger am dünnen Ärmchen setzte sie schamlos als Würgemittel ein, und mit dem kräftigen kleinen Finger klammerte sie mich mit sowas wie einem Polizeigriff in die Wehrlosigkeit.

Andersrum erzählt, führte sie mich an der Nase herum: Nachem sie nämlich heiter durch die Türe der Herren trat, hatte sich das Bübchen, also ich, nicht mehr vom zugeordneten Bänkli wegzubewegen. Ich lernte also das Warten quasi von der Pike auf, und ich wusste rein gar nichts von sogenannten Hintergedanken. 1983 ist die auf ihre Art voll emanzipierte Frau unter meinen Tränen weg gestorben. All diesen in ihrem Umfeld – auf ihre ganz speziellen frauenfreundlichen Mannli – bin ich nie mehr begegnet.

Aber! Des kurzen Sinns, lange Rede: Mein Winterthur ist mein Geburtsort, den ich verehre und überaus ins Herz geschlossen habe, so wie mein Berlin. Dort schlägt mein Herz höher. Mit dieser traumhaften Weltstadt habe ich geschichtsmässig stundenlang am Bildschirm gelitten. Im in sich ruhenden friedlichen Winterthur, das ich überaus gerne bewohne, leben mitunter auch Berliner oder dergestalte Innen. Die geschichtsträchtige wie umwerfend sympathische deutsche Hauptstadt kann keine Windel trocken furzen, aber die Herzen aller Menschen entzücken. In dieser Stadt ist so viel Charme drin, so viel Kompetenz, so viel Führungsfähigkeit.

Warum also gibt es auf unserer wundervollen Welt so seltsame Gestalten, die ihr Leben nicht ehrenhaft abwickeln. Diese sektiererische Gesellschaft mörderischer Idioten glaubt irrerweise, dass sie mit Waffengewalt eine bessere erzwingen können. Das ist ein gewaltiger Irrtum, eine verrückte Selbstüberschätzung. Als Grosskind deutscher Eltern quält mich freilich der Gedanke an den Berliner Weihnachtsmarkt. Zwölf Menschen sind am Christenfest nicht mehr nach Hause gekommen. Sie wurden beim Terroranschlag an der Berliner Gedächtniskirche aus dem Leben gerissen.

Sechs Männer und sechs Frauen mit eigener Geschichte sind tot. Und jedes dieser Opfer hinterlässt trauernde Angehörige, die kein Fest feiern, sondern um ihre Opfer weinen!

 


Guido Blumer,
30.12.2016, 115. Jahrgang, Nr. 365.

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