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«Wandzeitung» vom 22.2.2017:

Hassliebe:

Sind wir konservativer, als wir denken?

Heiraten erfreut sich ja immer noch grosser Beliebtheit. Und so komme ich gelegentlich in den Genuss an eine Hochzeit eingeladen zu werden. Es ist eine Hassliebe. Denn einerseits sind solche Feste etwas Schönes, schliesslich teilt man mit dem Brautpaar einen sehr persönlichen und scheinbar wichtigen Moment in deren Leben. Im besten Fall wird man dabei gut unterhalten, isst fürstlich, trinkt und tanzt ausgiebig. Im schlechteren Fall langweilt man sich, isst aus Mangel an guter Unterhaltung zu viel, so dass man sich am Ende des Abends, wenn endlich getanzt wird, nicht mehr bewegen mag. Doch in jedem Fall wohnt man einer Art Reality Show bei. Das Brautpaar zelebriert und inszeniert sein Liebesglück und generiert damit viele Likes. Doch das allein ist noch kein Grund Hochzeiten abzulehnen. Das Problem ist komplexer.

Zunächst gibt es praktische Aspekte, die an Hochzeiten schwierig sind. Man hat meistens nichts Passendes anzuziehen, zieht dann etwas an, was einigermassen geht und fühlt sich darin unwohl, bis man die Unsicherheit mit den ersten paar Gläsern Sekt weggespült hat. Dummerweise trägt man zu einem eleganten Hochzeitsoutfit meistens hochhackige Schuhe. Die vertragen sich aber nur schlecht mit Alkohol, denn sie sind nicht nur unbequem, sondern auch gefährlich.

Weswegen man im Prinzip von Anfang an auf diese Etikette pfeifen sollte, die eigentlich eine frauenfeindliche ist. Warum sonst sollte ein Modetrend, der nun schon Jahrzehnte anhält, Frauen vorschreiben Schuhe zu tragen, die höllisch weh tun? Überhaupt steht es um die Gleichberechtigung an Hochzeiten eher schlecht. Noch immer ist es üblich, dass der Brautvater die Braut dem Bräutigam übergibt. Oft geht einer Hochzeit ein romantischer Antrag voraus, den selbstverständlich der Mann der Frau machte. Auch trägt die Frau immer ein weisses Kleid, das für Reinheit, also sexuelle Unberührtheit steht. Eine Mehrzahl der verheirateten Frauen in meinem Freundeskreis haben auch den Namen des Ehemannes angenommen. Offenbar sind wir viel konservativer, als wir denken.

Das Konservative kommt ja heutzutage auch schon mal ganz ausgeflippt daher. So wie damals das ausgefuchste Musikvideo «Welcome to SVP». Erinnern sie sich? Köppel und Blocher mit cooler Sonnenbrille inmitten von tanzenden Girls? Genau. Das stimmt einen manchmal etwas nachdenklich, doch man will ja keine Spielverderberin sein und deswegen spült man die Sorgen um diese gesellschaftlichen Rückschritte ebenfalls herunter. Dieses Mal mit etwas Stärkerem, denn der Abend ist bereits fortgeschritten, die Fotopräsentationen sind vorbei und in den Tischreden wurde gesagt, was gesagt werden musste. Jetzt werden die Drinks serviert.

Was halten Sie von Hochzeiten?


Anita Blumer,
22.2.2017, 116. Jahrgang, Nr. 53.

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