Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 5.8.2014:

Wenn alle über einen Leisten geschlagen werden:

Reduzierte Intelligenz ist gefährlich.

In der Schule suchte ich die Auseinandersetzung mit dem Fachinhalt. Ich wollte den Inhalt verstehen, Zusammenhänge erkennen und Neuland entdecken. Ich wollte selber denken; weiterentwickeln, was jeder schon wusste; entfalten, woran ich mich erinnern konnte. Mir graute nichts mehr als eine Prüfung herunter zu beten, nur um zu bestehen. Komplette Anpassung war nie mein Ziel.

Ich verschlang Bücher, um mir komplementäres Wissen anzueignen. Wie hätte ich sonst merken können, dass mit dem Newton-Axiom der Kosmos nicht erklärt werden kann, dass im Christentum seit Jahrhunderten ein naturfeindlicher Spiritualismus sein Unwesen treibt? Bestimmt nicht über einen Pisa-Test. Ich bin für die Abschaffung dieses menschenunwürdigen Vergleichs. Und damit auch gegen den Lehrplan 21, der die Bildungsziele über kompetenzorientierten Unterricht vereinheitlichen soll. Das Kompetenzmodell bringt faktisch eine Absenkung des Bildungsniveaus in der Schweiz. Denn es geht weniger um Bildung als vielmehr um die Fähigkeit sich anzupassen an das, was ohnehin schon alle wissen und als Fertigkeit trainiert werden kann.

Mit der Einführung von Kompetenzen statt Bildung in der Schule muss der Mensch nichts mehr Können und Wissen, er muss nur noch nachweisen, dass er mit dem Stoff standardisiert und mit andern vergleichbar umgehen kann. Das nennt sich zukünftig sozialkompetent oder teamfähig. Wir provozieren damit eine Inflation bei den akademischen Abschlüssen und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Denn auch die begabten und selbständig denkenden Handwerker müssen gesucht werden, wenn der Bildungsinhalt verloren geht.

Nach wie vor steht im Mittelpunkt des Denkens der einzelne Erdenmensch und nicht ein System. Die Annahme, dass mehr Akademiker auch mehr Wohlstand bedeuten, ist nämlich nirgends belegt. Im Gegenteil: Diese Wohlstandsthese ist so lebensfeindlich wie die Annahme einer von tödlicher Leere umgebener Erde. Aber genau auf dieser Annahme der Wohlstandsförderung und dem endlosen Wachstum bis zum Weltuntergang beruht das Konstrukt Lehrplan 21, das Kompetenzsystem der OECD. Die Begründer dieses Mantras vergessen, dass es kein Denken und Wissen gibt, das ohne Erfahrung und Erinnerung weitergegeben werden kann. Lernen bleibt immer ein Beziehungsgeschehen, in dem Lehrer und Schüler gemeinsame Sache machen. Wie sonst könnten sich Fehlbeurteilungen bewegen, die einst als richtig angenommen wurden? Selbst Einsteins Relativitätstheorie muss hinterfragt werden können, genauso ob ein Möbelstück aus Spanplatte einen Schreiner braucht.

Die Wirtschaft und insbesondere eine demokratische Gesellschaft gehen ein hohes Risiko ein, wenn sie diesem Mainstreamprojekt 21 nicht den Riegel schieben und eine Abstimmung provozieren. Denn mit der Einführung von Kompetenzen statt Bildung im Schulwesen, stehen Wissen und Können auf wackeligem Grund, ganz nach dem Leitsatz von Helmut Friedrich Krause: «Es kann doch nicht das Zeichen eines nach Weisheit Strebenden sein, unter Schwachsinnigen der Erste sein zu wollen.»


Heiner Dübi,
5.8.2014, 113. Jahrgang, Nr. 61.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.